Inhalt
Die Kampagne – Beseitigung eines selbstverwalteten Radiobetriebes in Hannover
Stimmen zum Radiofeature “Die Kampagne” – Briefe an die Redaktion
Erklärung der Redaktion International
Fortsetzung der Kampagne und Gegenwehr – Chronologie –
Notwendige Vorbemerkung
Im Juni 2008 entschloss sich der Arbeitskreis Regionalgeschichte zusammen mit der Redaktion International von Radio Flora ein Radiofeature zur Geschichte des ersten selbstorganisierten Bürgerradios in der Region Hannover zu produzieren. Der Grund: Das Ende von Radio Flora mit mehr als 500 Vereinsmitgliedern und 200 ehrenamtlich arbeitenden Radiomacherinnen und Radiomachern schien unmittelbar bevorzustehen, denn die Niedersächsische Landesmedienanstalt hatte sich geweigert, die Sendelizenz für Radio Flora zu verlängern. In der Öffentlichkeit wurde dies mit einer von Anfang an umstrittenen Emnid-Umfrage begründet. Wie sich bald herausstellte, ging es der Landesmedienanstalt jedoch darum, ein neues hierarchisches Radio zu konstruieren, das nicht mehr von den Radiomacherinnen selber, sondern von der Werbewirtschaft kontrolliert werden sollte. Das Radiofeature wollte an die widersprüchliche Geschichte von Radio Flora erinnern, die eng verknüpft ist mit der Bewegung der Freien Radios in Deutschland, es sollte die inneren Schwierigkeiten des selbstverwalteten Betriebes analysieren und die Methoden beschreiben, mit denen das ungeliebte Radio auf den gewünschten Kurs gedrängt wird.
Niemand konnte ahnen, welche Aufregung der Bericht von Hubert Brieden mit dem Titel „Die Kampagne – Beseitigung eines selbstverwalteten Radiobetriebes in Hannover“ hervorrufen und welche Folgen er haben würde …
Was sich dann am 7.7.2008, dem Tag an dem das Feature uraufgeführt werden sollte, bei Radio Flora abspielte, dürfte in der Radiogeschichte Westdeutschlands nach 1945 Seltenheitswert besitzen, wenn nicht sogar einzigartig sein.
Als die verantwortliche Redakteurin der Redaktion International, Mechthild Dortmund, zehn Minuten vor Beginn der Sendung das Studio betrat, teilte ihr ein Techniker mit: Auf Anweisung der Sendeleitung habe er ihre Moderation zu überprüfen. Falls sie das geplante Feature „Die Kampagne – Beseitigung eines selbstverwalteten Radiobetriebes in Hannover“ ankündige, müsse er die Übertragung „auf Anordnung des Chefs“ sofort abbrechen. Zunächst stand der Zensor direkt neben dem Mischpult neben der Redakteurin, dann zog er sich in die Technik zurück, um von dort die Sendung zu überwachen.
Mechthild Dortmund sprach zunächst über die Verfolgung von Journalisten und die Unterdrückung der Pressefreiheit in verschiedenen Ländern, kam dann auf die Situation in Deutschland zu sprechen und kündigte schließlich das Feature an. In diesem Augenblick würde die Übertragung abgeschaltet und Rockmusik eingeblendet.
Menschen aus ganz Deutschland protestierten gegen diesen eklatanten Fall von Zensur, die Entmündigung der Redaktionen von Radio Flora und die Aushebelung des Redaktionsstatuts. Offensichtlich soll der redaktionelle Teil des hannoverschen Bürgerradios zur Übernahme durch die Werbewirtschaft und den Kommerzfunk fit gemacht und über die Hintergründe geschwiegen werden.
Am Dienstag, den 8.7.2008 konnten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Offenen Sendeplatzes „Interpol“, auf den die neuen „Chefs“ des Radios rechtlich keinen unmittelbaren Zugriff haben, das inkriminierte Feature senden. Inzwischen wurde es auch von Radios in Darmstadt, Dresden, Göttingen, Freiburg, Halle und Marburg ausgestrahlt. Ferner ist es auf dem niederländischen Internetportal open-radio.nl zu hören. Andere Radios sendeten ausführliche Interviews mit dem Autor. “Die Kampagne” dürfte inzwischen zum weitverbreitetsten und bekanntesten Beitrag geworden sein, der je bei Radio Flora produziert wurde. Ein Hörer schickte ein Zitat des Dramatikers Frank Wedekind (1864-1918): “Ein Zensor ist ein Beamter, der Dinge empfiehlt, indem er sie verbietet.”
Die beabsichtigte Kommerzialisierung der hannoverschen Bürgerrundfunkfrequenz ist ein schwerwiegender Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit. Erschreckend ist besonders, dass bereits im Vorfeld der Neulizenzierung Autorinnen und Autoren ausgegrenzt werden sollen, die sich schwerpunktmäßig mit folgenden Themen befassen: Geschichte der NS-Diktatur in der Region Hannover, Rassismus und Antisemitismus, Militarisierung der Gesellschaft, Migration und Sozialabbau.
Der Arbeitskreis Regionalgeschichte wird die Öffentlichkeit laufend über die aktuellen Ereignisse und Entwicklungen informieren.
Im Internet zu hören ist “Die Kampagne” unter: www.freie-radios.net/portal/content.php?id=23179
Die Dokumentation des Sendeabbruchs ist zu hören unter: www.freie-radios.net/portal/content.php?id=23392
Auch die Dokumentation des Sendeabbruchs sollte zensiert werden. Ein Mitarbeiter von Radio Flora und vom Offenen Kanal H1 intervenierte bei freie-radios.net mit dem Ziel, aus urheberrechtlichen Gründen die ins Netz gestellte Dokumentation des Sendeabbruchs “umgehend zu löschen”. Zu Beginn war nämlich der Jingle des Magazins International zu hören und am Schluss die von der Sendeleitung eingeblendete Musik. Zunächst wurde die Dokumentation in den internen Bereich des Servers verlegt, dann die beanstandeten, möglicherweise GEMA-relevanten Musikpassagen herausgeschnitten. Jetzt steht die Dokumentation der Zensur, die zensiert werden sollte, wieder öffentlich zugänglich im Netz.
und hier die Textversion des Radiofeatures:
Die Kampagne – Beseitigung eines selbstverwalteten Rundfunkbetriebes in Hannover
ein Bericht von Hubert Brieden
I. Anfänge: Schaffung von Gegenöffentlichkeit
Die Idee war nahe liegend. Sie fand und entwickelte sich auf Bauplätzen und Straßen. Wollte man der Atomlobby und ihren Verbindungsleuten in Wirtschaft, Regierung und Massenmedien etwas entgegensetzen, mussten neue Wege der Öffentlichkeitsarbeit gesucht und gefunden werden. Das Schreiben von Flugblättern allein jedenfalls reichte nicht mehr aus. Umweltaktivisten aus dem Elsass hatten zum ersten Mal am 4. Juni 1977 einen grenzüberschreitenden – damals noch illegalen – Radiosender im Kampf gegen drei geplante Atommeiler bei Wyhl, Fessenheim und Kaiseraugst eingesetzt. Die Pilotsendung hatte nur 12 Minuten gedauert, aber sie war die Geburt von „Radio Verte Fessenheim“, das später nach langen Auseinandersetzungen zu Radio Dreyeckland, dem ersten Freien Radio werden sollte.
Die Radioaktivitäten im Elsass waren auch in der Anti-AKW-Bewegung im Wendland und in Hannover aufmerksam beobachtet worden. Einige Spezialisten eigneten sich das nötige Fachwissen an und experimentierten mit Schwarzsendern. In Niedersachsen wurde 1993 als dritte Säule der Rundfunklandschaft – neben Öffentlich Rechtlichem und privatem – der so genannte Bürgerrundfunk etabliert.
Rund 20 Radiofreunde, vor allem aus dem hannoverschen Atomplenum um den inzwischen verstorbenen Petja Wundenberg, erkannten ihre Chance und gründeten im Mai 1993 einen „Verein Freundeskreis Lokalradio“. Dreieinhalb Jahre intensiver Aufbauarbeit hatten begonnen. Konfrontiert mit einer weitgehend homogenen und monopolisierten Presselandschaft bestand für die Beteiligten kein Zweifel daran, dass die Schaffung von Gegenöffentlichkeit dringend notwendig war. Und zwar nicht nur in den Bereichen Ökologie und Atomkraft, sondern in allen gesellschaftlichen Themen- und Konfliktfeldern. Zugleich sollte das Radio demokratisch organisiert und von den RadiomacherInnen selber kontrolliert werden. Gleich zu Beginn wurde daher sehr viel Wert auf die Erarbeitung eines Redaktionsstatuts gelegt, das als Grundlage der gemeinsamen Arbeit dienen sollte. Es bildeten sich Arbeitsgruppen und die ersten Redaktionen. Als wichtigstes Entscheidungsgremium wurde das Radioplenum – die Vollversammlung aller im Radio Aktiven etabliert. Bis zum Frühjahr 1994 waren auch die technischen Voraussetzungen so weit geschaffen, dass die erste Life-Sendung auf dem Gelände des Veranstaltungszentrums Faust in Hannover-Linden gestartet werden konnte – eine Art Veranstaltungsfunk, der im Laufe der nächsten beiden Jahre noch mehrmals zu unterschiedlichen Anlässen wiederholt wurde, um die organisatorischen und technischen Voraussetzungen für den Radiobetrieb zu entwickeln und zu erproben. Gleichzeitig lernten Dutzende von Menschen das Radiomachen. Und vieles war gefragt: vom Recherchieren, über das Schreiben von Texten, das Anfertigen und Schneiden von Interviews bis zum Sprachtraining. Aber auch mit der Medienpolitik setzte man sich auseinander. Die Radioinitiative entwickelt sich zu einem der größten selbstorganisierten Arbeits- und Bildungsprojekte der Region Hannover. Zur Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit wurde ab April 1995 die Zeitung Megahertz herausgegeben. Trotz zum Teil recht unterschiedlicher Interessen schlossen sich im Frühjahr 1995 drei existierende Radioinitiativen – nämlich Flora, La Mouche und Open Air – zusammen, um ihre Kräfte zu bündeln und beantragten bei der Niedersächsischen Landesmedienanstalt als „Freundeskreis Lokalradio Hannover e.V.“ die Zuteilung der Lizenz für Hannover und Umgebung. Der Verein konnte sich gegen drei weitere Bewerber durchsetzen. Am 10. September 1996 erteilte die Landesmedienanstalt die Sendelizenz für einen fünfjährigen Modellversuch in sechs niedersächsischen Städten: Braunschweig, Göttingen, Hameln, Uelzen/Lüneburg, Wilhelmshaven und Hannover. Am 21. Juni 1997 ging das nichtkommerzielle Radio Flora auf Sendung.
In ihren Publikationen machten die RadiomacherInnen sehr deutlich, dass sie sich inhaltlich und organisatorisch von den anderen Rundfunkanstalten unterschieden. In einem Flugblatt aus dem Jahr 1998 heißt es: „’FLORA’ ist ein basisdemokratisch verfasstes Radio. Das heißt: alle Arbeitsbereiche und Personen sind gleichberechtigt. 17 Redaktionen produzieren in eigener Regie ein Programm mit 61 unterschiedlichen Sendungen. Hier spiegelt sich die Vielfalt der Meinungen der unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräfte innerhalb des Verbreitungsgebietes wieder. Dies geschieht insbesondere durch die Zugangsoffenheit des Senders. Alle und vor allem die, die sonst nicht zu Wort kommen, haben hier die Möglichkeit, gehört zu werden. Radio von unten, das heißt, denen als Sprachrohr dienen, die sich aktiv in der Region, deren Kultur, Sozialwesen und Politik einbringen wollen.“1
II. Geldmangel und die fatalen Folgen der „Professionalisierung“
Für die Gründergeneration war Radio Flora ein politisches Projekt, an dem hoch motiviert und selbstverständlich unbezahlt gearbeitet wurde. Dennoch war man 1995 froh, als die ersten beiden ABM-Stellen durch das Arbeitsamt bewilligt wurden. Jetzt konnten Arbeiten erledigt werden, nach denen sich Ehrenamtliche nicht unbedingt rissen. Und was hätte schlecht daran sein sollen, auch mal für Arbeiten bezahlt zu werden, die man ohnehin machte und mit denen man sich identifizierte? Seit der Lizenzerteilung flossen auch Zuschüsse aus Landesmitteln, die jedoch nicht mal ansatzweise dazu ausreichten, den täglichen Sendebetrieb in Gang zu halten. Also arbeiteten die Redaktionen weiterhin ehrenamtlich. Dennoch waren die finanziellen Rinnsale aus der Landeskasse eine Hilfe etwa beim Umzug ins neue Funkhaus oder bei der Anschaffung neuer Technik. Außerdem, so ließ man die Öffentlichkeit wissen, konnten sieben RadiomacherInnen „auf Teilzeitbasis“ eingestellt werden. Mit der Lizenzerteilung und der finanziellen Förderung habe für Radio Flora „eine neue Zeitrechnung“ begonnen.2
Diese Euphorie wurde nicht von allen geteilt. Kritische Stimmen forderten die zeitliche Begrenzung der Stellen und die Rotation des bezahlten Personals, um eine Verselbstständigung der „Professionellen“ zu verhindern. Aus anderen Projekten war zudem bekannt, dass bezahlte Stellen in der Regel zur Demotivierung von Ehrenamtlichen führten. Und war nicht immer postuliert worden, alle Arbeitsbereiche und Personen seien gleichberechtigt? Verstieß die Bezahlung einiger weniger Privilegierter nicht sogar fundamental gegen die gewerkschaftliche Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit? Doch die Einwände und Vorschläge der KritikerInnen verhalten ungehört. Feste Stellen wurden eingerichtet – mit nachhaltigen Folgen.
Ein anderes ambitioniertes Medienprojekt in Hannover – das Kino im Sprengel – schlug bewusst einen andern Weg ein. 2008 feierte es sein zwanzigjähriges Bestehen. In einem Rückblick schrieb das Kinokollektiv: „Mit Erfolg haben wir uns allen gelegentlichen Verlockungen widersetzt, das Kino zu professionalisieren. Und das scheint im Nachhinein gut so, auch wenn die daraus resultierenden Defizite oftmals unsere Arbeit und auch die gute Zusammenarbeit mit uns erschwerten. Noch immer gilt: Bei uns wird aus reiner Leidenschaft für das Kino gearbeitet, keiner verdient auch nur einen Cent dabei. Nur so können wir uns von kommerziellen Erwägungen und Zwängen weitgehend freihalten.“3 Der Qualität des inzwischen mehrfach ausgezeichneten Kinoprogramms kam das zugute. Bei Radio Flora ließen die ersten Konflikte zwischen Ehrenamtlichen und „Professionellen“ nicht lange auf sich warten und die Leidenschaft kühlte merklich ab. The thrill was gone.
III. Zensurversuche
Zum offenen Ausbruch kamen die Widersprüche zum ersten Mal im Dezember 1999 anlässlich einer Glosse, in der sich der Autor polemisch mit einem rassistischen Vorwort im Veranstaltungskalender des Kommunikationszentrum Faust in Hannover-Linden auseinandergesetzt hatte. Durch die Kritik an diesem wichtigen Kooperationspartner, meinte der hauptamtlich arbeitende Koordinator für die Musikredaktionen, entstünde dem Radio schwerer politischer und finanzieller Schaden, der das gesamte Projekt gefährde. Kritisiert wurde darüber hinaus, dass die Redaktion International, wo der Autor der Glosse mitarbeitete, sich während des Nato-Angriffs auf Jugoslawien eindeutig gegen den Krieg positioniert hatte. Der Musikkoordinator stellte den schriftlichen Antrag an das Radioplenum, sowohl den Autor als auch die verantwortliche Redakteurin – beide arbeiteten ehrenamtlich für die Redaktion International – abzumahnen. Da eine Abmahnung aus rechtlichen Gründen gegenüber Ehrenamtlichen irrelevant ist, war klar, dass ein politisches Exempel statuiert werden sollte, um die linke Opposition im Radio mundtot zu machen. In der Debatte wurde zum ersten Mal deutlich, dass bestimmte Sendungen von manchen bezahlten Kräften als Gefahr für Jobs und Geschäftsbeziehungen angesehen wurden.
Die Redaktion International wehrte sich vehement gegen diesen Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit und wurde darin auch von Petja Wundenberg, einem der Initiatoren des Radioprojektes unterstützt, der zum ersten Mal bei Radio Flora einen – wie er an das Plenum schrieb – „Hauch von Ausgrenzung und sogar Spaltung“ bemerkte. Und weiter: „Herausmogeln gilt nicht – jeder muss in der nächsten Zeit deutlich machen, welcher Weg für Radio Flora richtig ist. Dem Weichspülgang fehlt bisher jedenfalls die gemeinsam festgelegte Grundlage. Bis heute ist das Redaktionsstatut Orientierungshilfe und in letzter Konsequenz Entscheidungshilfe in schwierigen Situationen. Für mich müssen jedenfalls die guten Ansätze und gemeinsamen Grundlagen im Statut und auch im Radio wieder stärker hörbar werden. Ein erstes notwendiges Zeichen für das Festhalten an wichtigen Grundsätzen wäre die deutliche Ablehnung des eingebrachten Abmahnungsantrages“4 Nicht zuletzt dank dieser prominenten Unterstützung scheiterte der Antrag und Petja Wundenberg war dann auch der Einzige, der freiwillig seine bezahlte Funktion als technischer Leiter nach drei Jahren zur Verfügung stellte.
Auch in den folgenden Jahren gab es Versuche, Beiträge zu zensieren oder inhaltlich zu beeinflussen, doch die blieben vereinzelt, wurden öffentlich diskutiert und konnten abgewehrt werden.
Zwar hatte das Redaktionsstatut und damit die demokratische Struktur des Radios die erste Bewährungsprobe bestanden, aber bald tauchte ein neues Problem auf: Die Gruppe der bezahlten Arbeitskräfte bildete allein durch ihre ständige Anwesenheit im Radio eigene Informations- und Kommunikationsstrukturen heraus, die immer schwerer durch die Gremien und schon gar nicht durch die Ehrenamtlichen in den Redaktionen kontrolliert werden konnten. Scherzhaft war bald vom „Flurfunk“ die Rede. Doch die Situation war ernst, denn es passierte das, was vorauszusehen war. Immer mehr Ehrenamtliche zogen sich auf Grund der zunehmend unübersichtlichen Entscheidungsprozesse frustriert aus den Gremien zurück. Sowohl in der Programmkonferenz als auch im Plenum bestimmten die Hauptamtlichen, allein schon auf Grund ihres Informationsvorsprungs, die Richtung.
Der Modellversuch Bürgerradio war bis April 2002 befristet. Ein neuer Lizenzantrag musste gestellt werden. Dazu war es notwendig die Programmstruktur zu reformieren. In der jetzt aufbrechenden Debatte zeigte sich wieder einmal, dass die Interessen des Gesamtradios nicht unbedingt die der bezahlten Angestellten waren. Verbissen verteidigten einige ihren Einfluss im Programm und damit die Voraussetzungen für die Verlängerung der jeweiligen Stellen. So war es unmöglich Wortsendungen im Abendprogramm zu etablieren, weil die Musikkoordination dies durch die Mobilisierung aller Musikredaktionen zu einzelnen Plena verhinderte. Das Ergebnis war ein wenig durchdachtes und insgesamt unbefriedigendes Programmschema, das vor allem den Kräfteproporz innerhalb des Radios widerspiegelte. Die Lizenz wurde verlängert und alles ging weiter wie gehabt: Die Hauptamtlichen dominierten zunehmend des Radiobetrieb, während die Ehrenamtlichen sich auf die Produktion der eigenen Sendungen konzentrierten. Für die meisten geriet Radio Flora als gemeinschaftliches politisches und kulturelles Gesamtprojekt immer mehr aus dem Blickfeld. Dennoch verstummte die Kritik zu keinem Zeitpunkt. Besonders die undurchsichtige Stellenpolitik von Vereinsvorstand und Geschäftsführung wurde bemängelt. Zu heftigen Diskussionen kam es 2005, als die Geschäftsführung eigenmächtig Ein-Euro-Jobs beim Arbeitsamt beantragte.5
Der Vereinsvorstand – inzwischen teilweise eingebunden in die unkontrollierbaren Strukturen außerhalb der Gremien – war weder willens noch in der Lage das grundlegende Strukturproblem zu lösen, die bezahlten Kräfte in ihre Schranken zu weisen und das Gesamtinteresse von Radio Flora gegenüber den Separat-Interessen zu vertreten. Stattdessen wurde eine Änderung des Redaktionsstatuts durchgesetzt. Begründung: In Zukunft solle verhindert werden, dass einzelne Gruppen ihre Klientel zur Durchsetzung eigener Interessen kurzfristig zu den Plena mobilisieren könnten. Außerdem sollten – und hier wurde es grotesk – die angeblich desinteressierten Ehrenamtlichen zur Gremienarbeit gezwungen werden. Jetzt sollten alle im Radiobetrieb Aktiven eine Mindestzeit auf den Plena absitzen, was durch penibel geführte Anwesenheitslisten kontrolliert wurde. Wer diese Zeit nicht aufbringen wollte oder konnte, verlor sein Stimmrecht. Die Folge: Schon nach kurzer Zeit hatte die Mehrheit der aktiven RadiomacherInnen, darunter auch Gründungsmitglieder, kein Stimmrecht mehr in den Gremien. Ganz im Gegensatz zu den bezahlten Kräften, die sich ohnehin den ganzen Tag in den Büros aufhielten und keinerlei Schwierigkeiten hatten, an den zahlreichen Sitzungen teilzunehmen. Der Vorstand und die Hauptamtlichen waren in den Gremien nun fast unter sich. Das Dumme war: Die Beschlüsse der Gremien konnten gegen den passiven und gelegentlich auch aktiven Widerstand der Ehrenamtlichen nicht mehr durchgesetzt werden. Im laufenden Programm merkte man von all dem wenig, denn auf die Arbeit der immer noch mehr als 200, nun rechtlosen Ehrenamtlichen war Verlass. Dass die Mehrheit sich nur noch um die eigenen Sendungen kümmerte und kaum noch um die Belange des gesamten Radios und des Vereins, war zwar verständlich, aber dennoch ein schwerer Fehler. In dieser Situation machte die Niedersächsische Landesmedienanstalt durch eine öffentliche Demonstration deutlich, dass sie ohnehin in eine ganz andere Richtung zu marschieren gedachte.
IV. Spielen über die Bande
Auch in Neustadt am Rübenberge, einer Kleinstadt im Norden der Region Hannover, nahe dem Steinhuder Meer arbeitete seit Jahren eine Radioinitiative – das Neustädter Lokalradio. Weil der Gruppe eigene Sendeplätze im Programm von Radio Flora zugesichert worden waren, hatten die Neustädter im Jahr 2002 darauf verzichtet einen eigenen Lizenzantrag zu stellen. Doch die Radiomacher vom Lande waren bei den Städtern aus der niedersächsischen Metropole nicht sonderlich beliebt. Ihr Programm klinge zu sehr nach unkritisch-biederem Mainstreamradio, hieß es, und passe daher nicht zu Radio Flora. Nachdem dem Neustädter Lokalradio Sendeplätze, gekürzt und Gespräche verweigert worden waren, beschwerten sich die Betreiber bei der der Niedersächsischen Landesmedienanstalt. Mit durchschlagendem Erfolg. Nach einem Gespräch mit dem zuständigen Referenten ließ dieser die Presse wissen: „Ich schätze die Hörfunksendungen aus dem Neustädter Studio wegen ihrer Ausgewogenheit und Qualität. Sie sind eine qualitative Ergänzung zum Programm von Radio Flora.“6 Im Klartext bedeutete dies: Nach Meinung der Landesmedienanstalt war das Programm von Radio Flora unausgewogen und qualitativ unzureichend, die Sendungen des Neustädter Radios dagegen vorbildlich.
Diese Stellungnahme – ausschließlich in der Neustädter Regionalpresse veröffentlicht – war gerade für Kenner der politischen Szene in der Kleinstadt verblüffend. Hier war nämlich bekannt, dass die Radiomacher über ausgezeichnete Kontakte zur örtlichen Wirtschaft und offiziellen Politik verfügten und deren Vertreter in ihren Sendungen häufig zu Wort kommen ließen. Über die Aktivitäten der Neustädter Alternativszene dagegen schwieg man sich in der Regel aus. Oppositionelle Meinungen kamen selten zu Wort. Selbst über gut besuchte, spektakuläre Veranstaltungen, wurde nicht berichtet. Auch innerhalb des Neustädter Radios wurde diese Angepasstheit kritisiert. Ein Moderator beendete aus diesem Grunde seine Mitarbeit.
Im Zeitungsartikel über das Treffen in der Landesmedienanstalt wurde zudem der Eindruck erweckt, als vernachlässige Radio Flora die Berichterstattung aus der ländlichen Region. Gerade für die Gegend am Steinhuder Meer traf diese Kritik jedoch nicht zu. So produzierte der in Neustadt ansässige Arbeitskreis Regionalgeschichte seit Jahren Radiodokumentationen vor allem zur örtlichen NS-Geschichte und stellte aktuelle Nachrichten zur Verfügung. Gesendet wurden sie im Programm von Radio Flora. Im Neustädter Lokalradio dagegen fanden sie keinen Platz. Eine publizistische Ergänzung zu den übrigen lokalen Medien, wie sie im Niedersächsischen Mediengesetz für den Bürgerrundfunk gefordert wird, stellte das Neustädter Radio also nicht dar. Nachdem gerade dieses Radio von der Landesmedienanstalt öffentlich für vorbildlich erklärt worden war, hätte eigentlich niemand mehr daran zweifeln können, dass Radio Flora schwierige Zeiten bevorstanden.
V. Beginn der Kampagne: Schocktherapie
Am 23. November 2006 informierte die Niedersächsische Landesmedienanstalt per Pressemitteilung über die Ergebnisse einer von ihr beim Meinungsforschungsinstitut TNS-Emnid in Auftrag gegebenen Umfrage zur so genannten Akzeptanz des Bürgerrundfunks. Dabei sei herausgekommen, dass Radio Flora lediglich 0,3% Stammhörer an sich binde. Vierzehn Tage später präsentierte die Behörde ein Papier mit dem Titel „Reichweiten des niedersächsischen Bürgerrundfunks 2006 – Präsentation der Ergebnisse“. 7 Am selben Tag veröffentlichte die Hannoversche Allgemeine Zeitung, herausgegeben vom Madsack-Konzern, der nicht nur den regionalen Zeitungsmarkt dominiert, sondern auch an kommerziellen Radiosendern in Niedersachsen beteiligt ist, einen umfangreichen Artikel mit der ironischen Schlagzeile „Das neue Sendungsbewusstsein“. Und in der Überschrift wurde weiter gefrotzelt: „Die Quote ist im Keller – und die Laune auch: Beim Bürgersender Radio Flora macht man sich jetzt verstärkt Gedanken darüber, wie sich das Interesse der Hörer steigern und zugleich der eigene Anspruch wahren lässt.“8 Erst aus diesem Zeitungsartikel erfuhren viele RedaktionsmitarbeiterInnen von der Umfrage. Über die Erhebungsmethoden konnten sie zwar nichts lesen, dafür wurde deutlich gemacht, um was es ging. Aus der Landesmedienanstalt könne man nämlich hören, langsam „sei die Schonfrist für Bürgersender vorbei, würden Anfängerfehler nicht mehr verziehen. Aber weil Flora davon noch zu viele mache, seien die Zahlen nicht gut. Anfang des kommenden Jahres entscheiden die Medienhüter über die Lizenz für Flora nach 2009.“
Damit war die Drohkulisse aufgebaut und die Geschäftsführung reagierte so, wie es von Leuten zu erwarten ist, die Angst um ihren Job haben. Anstatt die Ergebnisse der Umfrage in Ruhe zu analysieren, im Radio zu diskutieren und eine gemeinsame Strategie für die Öffentlichkeitsarbeit und etwaige Reformen zu entwickeln, knickte sie ein. Noch am selben Abend, hieß es in dem Artikel weiter, werde sich zeigen, wie „tief der Schock wirklich sitzt“, dann tage nämlich das „Plenum des ‚basisdemokratischen Senders’ – und entscheidet über eine Kursänderung“. So, als ob diese schon längst feststünde. Anscheinend um zu verdeutlichen, dass es sich bei Basisdemokratie um etwas Unseriöses, Anrüchiges, auf jeden Fall aber Unmodernes handele, hatte der Autor diesen Begriff in Anführungszeichen gesetzt. Dass es etwas Anderes gibt als das subalterne Arbeiten unter einer Chefredaktion, wie er es aus der HAZ gewöhnt war, überstieg offensichtlich seine Vorstellungskraft. Die eingeforderten Änderungen erwartete er daher auch nicht vom Plenum: „Bei den Chefs hingegen hat das große Umdenken längst eingesetzt.“ Dieser Satz war umso erstaunlicher, als es bei Radio Flora keine Chefredaktion gab. Aber der HAZ-Journalist machte gleich deutlich, wen er zu den Chefs zählte: den Geschäftsführer nämlich. Zwar hatte der mit dem Sendebetrieb gar nichts zu tun, war auch nicht befugt für den Verein zu sprechen, sondern war für die Buchführung verantwortlich, konnte aber mit einem Satz zitiert werden, der gut zur anlaufenden Kampagne passte: „Wir müssen durchhörbarer werden“. Dies sei ein Satz, konnte man weiter lesen, „den er eigentlich niemals hätte sagen wollen. Jetzt aber muss es sein, denn sonst verlieren zwölf in Teilzeit beschäftigte Kräfte ihren Job, neun Auszubildende außerdem – von den rund 400 Ehrenamtlichen, die bei Flora zum Teil ihre ersten journalistischen Gehversuche machen, ganz zu schweigen.“
Nun war Radio Flora nicht ins Leben gerufen worden, um Arbeitsplätze zu schaffen, sondern um Gegenöffentlichkeit herzustellen und denen eine Stimme zu geben, die sonst nicht zu Wort kommen. Doch davon war nicht mehr die Rede. Ehrenamtlich arbeitende Redakteure aus den Abendredaktionen kamen denn auch konsequenter Weise in dem Artikel nicht zu Wort und nicht einmal die genannte Zahl der Ehrenamtlichen stimmte. Aber auf Fakten kam es in der jetzt begonnenen Kampagne gegen den selbst verwalteten Radiobetrieb ohnehin nicht mehr an. Reden wir also über Fakten.
VI: Repräsentative Manipulation
Im Zentrum der Kampagne stand die Behauptung, Radio Flora erreiche nur noch 0,3% Stammhörer, deshalb – so die anschließende Forderung – müsse dringend eine Programmreform durchgeführt und das Angebot vor allem tagsüber „durchhörbarer“ werden. Wie war das Bielefelder Meinungsforschungsinstitut TNS-Emnid auf diese Zahlen gekommen? Insgesamt waren in Niedersachsen zur Ermittlung der „Reichweite“ sämtlicher Bürgerrundfunkanstalten bei 9000 Personen computergestützte Telefoninterviews durchgeführt worden. Pro Empfangsgebiet waren 500 Personen ab 14 Jahren aus Privathaushalten interviewt worden, die über einen Festnetzanschluss verfügten und deutsch sprachen. Diese Zahl, so wurde von der Landesmedienanstalt behauptet, sei ausreichend, um repräsentative Ergebnisse zu erzielen.9 Zwar bietet TNS-Emnid zur Untermauerung der Ergebnisse auch Untersuchungen mit 1000 und 2000 Telefoninterviews an, diese wären, hieß es in der Landesmedienanstalt, aber zu teuer gewesen.
Wissenschaftler, die sich seit Jahren systematisch mit den angewandten Methoden von Meinungsumfragen befassen, halten insbesondere Telefonumfragen inzwischen aus grundsätzlichen Erwägungen nicht mehr für repräsentativ. Dies aus mehreren Gründen:
1. Immer weniger Leute lassen ihren Festnetzanschluss ins Telefonbuch eintragen. Die dadurch notwendige Generierung von Telefonnummern birgt große Unsicherheiten, weil diese Nummern nicht mehr unbedingt den jeweiligen Untersuchungsgebieten zugeordnet werden können.10
2. Seit Jahren wächst die Zahl der Personen, die Mobiltelefone benutzen und über keinen Festnetzanschluss mehr verfügen. Nummern von Mobiltelefonen werden selten in Telefonbüchern verzeichnet, wechseln häufig und sind kaum einem Untersuchungsgebiet zuzuordnen.
3. Immer mehr Festnetzkunden verweigern grundsätzlich Auskünfte am Telefon.
Der Soziologe Markus Tiesmeyer, der sich im Rahmen einer Forschungsgruppe an der Universität Osnabrück intensiv mit diesen Fragen beschäftigt, hebt besonders den letzten Punkt hervor und kommt zu dem vernichtenden Urteil: „Es gibt keinen Zweifel mehr daran, dass man mit klassischen Meinungsumfragen zunehmende Schwierigkeiten haben wird. Es hat damit zu tun, dass es eine immer größere Anzahl an Auskunftsverweigerern gibt. Beispielsweise werden bei Telefonumfragen nur noch Ausschöpfungsraten von 30 Prozent erreicht. Das heißt also 70 Prozent aller angerufenen Personen verweigern aus welchen Gründen auch immer die Auskunft.“11
In der Niedersächsischen Landesmedienanstalt scheinen diese und andere neue Forschungsergebnisse nicht zu Kenntnis genommen worden zu sein. Oder man wollte sie nicht zur Kenntnis nehmen.
Zu diesen grundsätzlichen Bedenken gegen Telefonumfragen kamen weitere Ungereimtheiten, die mit dem spezifischen Untersuchungsgegenstand Radio Flora und der Region Hannover zu tun haben:
1. Mit der Begründung, Radio Flora sei nicht in allen Teilen der Region Hannover ausreichend zu empfangen, wurden die Telefoninterviews lediglich in einigen ausgewählten Gebieten durchgeführt und nicht in der gesamten Region. Wieso auch auf Interviews in Gegenden verzichtet wurde, wo Flora gut zu empfangen ist, bleibt unerfindlich.
2. Von Anfang an arbeitet im Radio eine Vielzahl von muttersprachlichen Redaktionen, die eine feste und zum Teil recht große Hörerschaft an sich binden und in ihre jeweiligen Communities eingebunden sind, was man an zahlreichen und vielfältigen Reaktionen auf die Sendungen feststellen kann. Radio Flora deckt damit als einziges Massenmedium in der Region das spezifische Bedürfnis der großen hannoverschen Immigrantengemeinschaften ab. Genau diese Hörerinnen und Hörer aber, die in der Industriestadt Hannover einen nicht unwesentlichen Teil der Bevölkerung ausmachen, blieben merkwürdigerweise in der Emnid-Umfrage unberücksichtigt, da nur deutschsprachige Festnetzbenutzer befragt wurden. Besonders die MitarbeiterInnen aus den muttersprachlichen Redaktionen fühlten sich durch dieses Versäumnis nicht ernst genommen, ausgegrenzt und warfen den Autoren der Studie Einäugigkeit und Einseitigkeit vor. Manche sprachen gar von rassistischem Denken, das hier zum Ausdruck komme.
Fazit: Bis heute gibt es – entgegen allen Behauptungen der Landesmedienanstalt und der Presse – keine ernstzunehmende repräsentative Untersuchung über die Hörerschaft von Radio Flora. Aber zur Fortsetzung der Kampagne reichte die Emnid-Umfrage allemal.
VII. „Durchhörbarkeit“ oder: Wann duscht „der Hörer“?
Die Drohung mit der Nichtverlängerung der Sendelizenz führte sowohl auf Vorstands- und Geschäftsführungsebene als auch unter den bezahlten Arbeitskräften zu hektischen Aktivitäten. Die Emnid-Untersuchung wurde in dieser Fraktion des Radios zu keinem Zeitpunkt kritisch hinterfragt, ihre Ergebnisse für bare Münze genommen. Von Fraktion zu reden ist spätestens seit diesem Zeitpunkt um die Jahreswende 2006/2007 angebracht, denn das Vorgehen der Landesmedienanstalt im Verein mit den örtlichen Medien musste die ohnehin vorhandene Spaltung im Radio zwangsläufig vertiefen.
Eine Programmreform müsse umgehend durchgeführt werden, hieß es aus der Chefetage, die es laut Redaktionsstatut ja eigentlich gar nicht gab, die sich aber bereits so gerierte, wie es von ihr erwartet wurde. Von der „Quote“ war immer häufiger die Rede. Besonders die Tagesprogramme müssten „durchhörbar“ werden, d.h. „der Hörer“ – wie es immer häufiger hieß – solle das Radio möglichst den ganzen Tag nicht mehr abschalten. Um dieses Ziel zu erreichen müsse besonders das Tagesprogramm anders strukturiert werden, die Musik gefälliger klingen und einem vermeintlichen Massengeschmack angepasst werden, und die Wortbeiträge müssten kürzer werden. Wieder einmal wurden wissenschaftliche Analysen nicht zur Kenntnis genommen. Bereits 2001 hatte beispielsweise das „Institut für Medienforschung“ in einer vergleichenden Analyse der öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunksender in Niedersachsen festgestellt: „Die bei den Betreibern kommerzieller Hörfunkprogramme immer noch grassierende Angst, informierendes Wort führe zu einem Abschaltimpuls beim Publikum, gehört in die Kategorie moderner Medienlegenden.“12 Die Frage wieso sich Radio Flora, das unter anderem angetreten war, um Minderheiten eine Stimme zu geben, um eine Hörerquote kümmern müsse, stellten sich die „Modernisierer“ nicht mehr. Genauso wenig wie die Frage, ob es überhaupt wünschenswert sei, zum bewusstlosen „Durchhören“ des gesamten Tagesprogramms zu animieren. Und widersprach die angestrebte „Durchhörbarkeit“ nicht dem oft verkündeten Lernziel „Medienkompetenz“? Doch Logik war von Anfang an nicht die Stärke der Quotenvertreter gewesen. Sie reagierten aus Angst.
Als die Geschäftsführung dann ein Papier vorlegte, in dem sie versuchte „den Hörer“ zu definieren, nahm die Diskussion bizarre Züge an. Unter anderem heißt es dort: „Morgens ist der Hörer oft in Eile, duscht sich und zieht sich an, kocht Kaffee, macht das Frühstück, packt noch dieses und jenes zusammen, zieht die Kinder an, macht für sie Frühstück und Pausenbrot, bringt sie zur Schule o. Schulbus und fährt anschließend selber zur Arbeit o. arbeitet zu Hause, muss eventuell noch Erledigungen machen. Kurz, allerhand zu tun hat er, der Hörer am Morgen. Für uns ein Grund, morgens ein knackiges und spritziges Morgenmagazin mit einer umfassenden aktuellen Nachrichtenlage und kurzen Beiträgen und O-Tönen bereitzuhalten.“13
Inzwischen hatte sich eine Gegenposition formiert und die Vorgänge im Radio öffentlich gemacht. Das Magazin International am 29.1.2007: „Von dem Hörer ist die Rede, wenn die vielen gemeint sind. Hörer und Hörerinnen, Alte und Junge, Angestellte und Arbeiter, Erwerbslose, Arbeitslosengeld II-Empfänger, Akademiker und Handwerker, Einwanderer und Eingeborene, Tagaktive, Nachtaktive usw. usw. Die Vielfalt der Menschen, die Radio Flora hören oder hören könnten wird heruntergebrochen auf einen Menschen, genauer: auf das Bild von einem Menschen. Sprachwissenschaftler nennen so etwas daher den personifizierenden und allegorisierenden Singular. Man kennt ihn vor allem aus der Militärsprache zur Markierung des Feindes: z.B. der Russe, der Engländer etc. Der in der NS-Zeit als Jude verfolgte Philologe Viktor Klemperer hat über diese besondere Form des Singular geschrieben: ‚Das oberste Gesetz lautet überall: Lass deine Hörer nicht zu kritischem Denken kommen, behandle alles simplizistisch! (…) bringe die vielen auf einen Nenner, klammere sie zusammen, gib ihnen Gemeinsamkeit’.“14
Die Opposition legte einen Gegenvorschlag zur Reform von Radio Flora vor mit dem Titel „Die Alternative“: Demnach sollten einerseits die Stärken des Radios gefördert werden, die vor allem in den Wort- und Musikredaktionen lägen und anderseits der bürokratische, unkontrollierbare und teure Verwaltungsapparat abgebaut werden. Die Tagesprogramme sollten durch die Redaktionen bestückt werden, um so die Einstellung bezahlter Moderatoren zu verhindern, wie es die Cheffraktion vorgeschlagen hatte. Außerdem verwies man auf die Ziele von Radio Flora, nämlich Gegenöffentlichkeit zu schaffen, Minderheiten zu Wort kommen zu lassen und Medienkompetenz zu schaffen, man wolle kein durchhörbares Programm, sondern ein Einschaltradio sowie mündige Hörerinnen und Hörer.
In den folgenden Wochen eskalierte die Auseinandersetzung. Vorstand und Geschäftsleitung verstärkten ihre Angstkampagne und warfen der Opposition vor, sie gefährde die Existenz des Radios, die Landesmedienanstalt wolle die Reformen und fordere außerdem noch Radio Flora müsse „übersichtlicher“ werden, andernfalls würde die Lizenz nicht verlängert. Zwar hatte ein Vertreter der Landesmedienanstalt inzwischen öffentlich beteuert, seine Behörde mache „keinerlei Vorgaben in Richtung ‚Durchhörbarkeit’“15, doch die Vorstandsetage behauptete, hinter den Kulissen werde ganz anders geredet als in der Öffentlichkeit. Als dann durch eine Indiskretion noch bekannt wurde, dass man bereits darüber nachdachte, die basisdemokratische Verfasstheit des Radios zur Disposition zu stellen, war die Entrüstung groß. Mit Geschäftsordnungstricks und zunehmend repressiven Mitteln – beispielsweise Stimmrechtsentzug auf Radioplena – versuchte man die Kritiker zum Schweigen zu bringen. Doch alle Bemühungen, den tatsächlichen oder vermeintlichen Wünschen der Landesmedienanstalt nachzukommen, waren umsonst: Im März 2007 entschied die Aufsichtsbehörde die Lizenz nicht zu verlängern und erhöhte damit den Druck auf das ungeliebte Radio noch einmal, das sich jetzt neu bewerben musste.
VIII. Der neue Chef, der dritte Mann und die Beseitigung der Selbstverwaltung
Nachdem im März 2007 der Vereinsvorstand im Freundeskreis Lokalradio Hannover e.V. ausgewechselt worden war kehrte zunächst Ruhe im Radiobetrieb ein – zumal den Neuen großes Vertrauen entgegengebracht wurde. Alle waren bemüht, bei der Reform des Radios konstruktiv zusammenzuarbeiten. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Vorstandes keimten jedoch auf, als ein neuer Sendeleiter eingestellt wurde, der in der Regenbogenpresse und im Kommerzfunk sozialisiert war und, wie es schien, über keinerlei Erfahrung mit dem Bürgerrundfunk verfügte.
Per E-Mail-Verteiler kommentierte der neue Mann die dürftig bezahlten Moderatoren oder wies sie zurecht und versuchte so, seine Position zu festigen sowie dem Tagesprogramm seine spezifische Vorstellung von Radio aufzudrücken. Bei den alteingesessenen Redaktionen, die ab 18 Uhr sendeten und nach wie vor ehrenamtlich arbeiteten stieß er mit seinen Chefallüren und Eingriffen in die Redaktionsautonomie allerdings schnell auf Widerstand. MitarbeiterInnen aus den Büros beklagten sich über den rüden Umgangston und zahlreiche HörerInnen beschwerten sich über die Verflachung des Tagesprogramms. Die Strukturen des nach wie vor demokratisch verfassten Radios hätten gerade in dieser prekären Situation eine Sendeleitung mit ausgeprägter sozialer Kompetenz und integrativen Fähigkeiten erfordert. Doch genau daran mangelte es nach Meinung vieler RadiomacherInnen der neuen Führungskraft. Die Kommunikation mit den Abendredaktionen kam weitgehend zum Erliegen. Wie gehabt, versuchten die Chefs die Unruhe durch Zensurmaßnahmen zu begrenzen. Der bezahlte Musikkoordinator wurde wegen einer flapsigen Bemerkung zur Landesmedienanstalt während eines Bandinterviews entlassen. Außerdem bekam er Hausverbot. Kritische Stellungnahmen wurden regelmäßig aus dem Funkhaus entfernt. Die Folge: Der Riss zwischen Tages- und Abendprogramm vertiefte sich zusehends. Viele MitarbeiterInnen rätselten, wie es zu dieser Fehlbesetzung hatte kommen können. Die Antwort bekamen sie einige Zeit später, als Interna über die Verhandlungen der Landesmedienanstalt mit den Bewerbern für die ausgeschriebene Sendelizenz bekannt wurden.
Neben Radio Flora hatten zwei weitere Bewerber einen Antrag auf Zuteilung der Sendelizenz gestellt: Das Lokalreadio Neustadt und ein bis dahin weitgehend unbekanntes „Radio Team Niedersachsen“. Bald hieß es, dieser dritte Bewerber habe – ähnlich wie die neue Sendeleitung bei Radio Flora – mit Bürgerrundfunk bislang nichts am Hut gehabt und sich vor nicht allzu langer Zeit um die Lizenz für eine erstmals ausgeschriebene Kommerzfunkfrequenz in Hannover bemüht. Die kleine Gruppe um Andreas Kuhnt – ehemaliger Bildzeitungsredakteur und Moderator bei den Privatsendern ffn und Radio 21 – hatte für die Deutsche Messe AG, für Hannover Airport und das hannoversche Schützenfest Werbe- und Veranstaltungsradios betrieben. Kuhnt betätigte sich darüber hinaus als Mitinhaber der Agentur Kuhnt & Co, (später: Konzept.Kommunikation) und moderierte im Kommerzfernsehen TV Travel Shop ebenso wie auf Messepräsentationen und Galaveranstaltungen für Hapag-Lloyd, Panasonic, Siemens, TUI, VW und andere Unternehmen.16
Verwundert fragten sich Beobachter, wieso sich ausgerechnet die fest in der Werbewirtschaft verwurzelte Kuhnt-Crew für das nichtkommerzielle Bürgerradio interessierte. Das Erstaunen wurde aber noch größer, als sich in den Verhandlungen der drei Bewerber mit der Landesmedienanstalt abzeichnete, dass die Behörde die Werbeleute unbedingt mit im Boot haben wollte und auf eine Einigung zwischen Bürgerradios und „Radio Team Niedersachsen“ drängte. Vom Vorstand des Flora-Trägervereins war zu erfahren, dass man Wert darauf lege, in die Verhandlungen auch die Sendeleitung mit einzubeziehen. Der Mann vom Kommerzfunk schien gut geeignet, eine „Brücken- und Vermittlerfunktion“ zu den Werbeleuten zu übernehmen.17
Inzwischen hatte der Flora-Vorstand auf einer dürftig besuchten Mitgliederversammlung die Vereinssatzung ändern lassen. Gestrichen worden war die Aussage, Radio Flora sei ein basisdemokratisches Radio. Mit der bereits bekannten Drohung, wenn diese Passage in der Satzung nicht geändert würde, sei die Lizenz endgültig verloren, hatte sich der Vorstand in kleinem Kreise durchsetzen können. Die Mehrheit der über 500 Vereinsmitglieder hatte bei dieser grundlegenden Kursänderung kein Votum abgegeben.
IX. Schlachtetag
Am 21.Mai 2008 machte die Versammlung der Niedersächsischen Landesmedienanstalt, in der inzwischen – entsprechend den Mehrheitsverhältnissen im Landtag – CDU und FDP den Ton angeben, den drei Bewerbern per Tischvorlage einen „Einigungsvorschlag“, auf dessen Grundlage weiter verhandelt werden sollte. Mit dieser Anweisung in Form eines „Vorschlages“ wurde Radio Flora der Todesstoß versetzt.18 Dies aus folgenden Gründen:
1. Das „Radio Team Niedersachsen“ soll „kompetent und damit federführend für das redaktionelle Programm“ sein und erhält „Geschäftsführung“ und. „Programmdirektion Wort“. Damit wird ausgerechnet der Kernbereich von Radio Flora, der hoch gelobt und in allen Untersuchungen hervorragend beurteilt wurde, den Leuten aus der Werbebranche unterstellt, von denen bislang nicht ein fundierter, anspruchvoller Text, Artikel oder Beitrag bekannt geworden ist.19
2. Radio Flora ist lediglich noch für das Bürgermedienprogramm verantwortlich, womit die offenen Sendeplätze und die Fortbildung gemeint sein dürften.
3. Getragen wird dieses Radio durch eine gemeinnützige GmbH, in der das Radio Team Niedersachsen fünf achtel der Anteile erhält, Radio Flora zwei und das Lokalradio Neustadt einen Anteil. Wobei zu berücksichtigen ist, das Radio Neustadt ohnehin auf Kuhnt-Niveau schwimmt.
Damit liegt sowohl die inhaltliche als auch die finanzielle Kontrolle fest in der Hand des Kommerzfunks und der Werbewirtschaft. Mehr als 500 Vereinsmitglieder und über 200 ehrenamtlich arbeitende RadiomacherInnen werden keinerlei Einfluss mehr auf den Sender haben – allenfalls könnte ihre kostenlose Arbeitskraft noch eine Weile ausgebeutet werden, denn die Kuhn-Crew hat bislang weder die Kompetenzen noch das Personal, um einen Bürgerrundfunk dieses Ausmaßes zu betreiben. Und natürlich sind auch die Mitgliedsbeiträge des Flora-Vereins von jährlich etwa 28.000 Euro und auch die in mehr als zehn Jahren angeschaffte Technik nicht zu verachten.
Allerdings verfügen die Werbeleute über beste Kontakte zur Wirtschaft und damit zu Geldgebern. Als mögliche Gesellschafter der zu gründenden gemeinnützugen GmbH waren bisher im Gespräch:
1. die Sparda Bank,
2. der Inhaber der Firma Hörgeräte Kind, gleichzeitig Vorstandvorsitzender von Hannover 96,
3. X-City Marketing, eine Tochter der Üstra Hannoversche Verkehrsbetriebe AG, an der auch die Ströer Out-of-Home Media AG beteiligt ist. Diese wiederum ist Marktführer für Außenwerbung in Deutschland und wird im Aufsichtsrat u.a. durch einen Vertreter der Axel-Springer-Stiftung kontrolliert.
4. Das Freiwilligenzentrum Hannover e.V., an dem sich neben Gewerkschaften, Kirchen, verschiedenen Vereinen auch Wirtschaftunternehmen beteiligen, darunter der Medienkonzern Madsack mit seinen marktbeherrschenden Zeitungen HAZ und Neuer Presse.20
Die Beteiligung des Freiwilligenzentrums entbehrt aber auch aus einem anderen Grunde nicht eines gewissen Witzes: Laut Eigenwerbung möchte der Verein das „freiwillige Engagement von hannoveraner Bürgerinnen und Bürgern“ fördern und beteiligt sich nun an der Zerstörung eines der größten Freiwilligenprojekte in der Region.21 Andererseits ist diese Politik aber konsequent. Demonstrierte Radio Flora doch als selbst organisiertes Projekt seit mehr als 10 Jahren, dass paternalistische Betreuung professioneller Helfer nicht gebraucht wird.
Inzwischen steht fest:
– Das neue Radio wird hierarchisch organisiert,
– es wird neue Räume beziehen, in schickerer Geschäftslage und nicht mehr auf dem schmuddeligen Faust-Gelände in Hannover-Linden,
und
– es wird einen anderen Namen tragen.
Unterdessen laufen die „Verhandlungen“ weiter – wie üblich abseits der Öffentlichkeit. Ein Redaktionsstatut allerdings, das die Autonomie und Rechte der Redaktionen und der Ehrenamtlichen gegenüber der Chefredaktion und der GmbH gewährleisten könnte, ist bislang (Stand: 29.6.2008) dabei nicht herausgekommen. Die neuen Führungskräfte kümmern sich – so ist zu hören – um Stellen, Immobilien und Finanzen.22 Für Fragen der Presse- und Meinungsfreiheit bleibt da naturgemäß wenig Zeit.
Die Kampagne ist fast beendet. Im März 2009 läuft die Lizenz für Radio Flora aus. Bis dahin muss der Betrieb abgewickelt werden. Zweierlei fehlt zum endgültigen Sieg: ein möglichst reibungs- und geräuschloser Übergang sowie die Sicherung der Ressourcen des einst selbstverwalteten Radios.
Anmerkungen:
1 ↑ Radio Flora – Daten, Fakten, Hintergründe, Flugblatt aus dem zweiten Halbjahr 1998. Informationen zur Gründungsgeschichte von Radio Flora verdanke ich Mechthild Dortmund. Vgl. auch Wikipedia, Stichwort Radio Flora
2 ↑ ebd.
3 ↑ Programm des Kino im Sprengel anlässlich des zwanzigjährigen Bestehens, Hannover, Mai/Juni 2008
4 ↑ Antrag von Petja Wundenberg an das Radio-Plenum v. 1.1.2000
5 ↑ vgl. Austrittserklärung H. Brieden v. 15.3.2005
6 ↑ Neustädter Zeitung 26.4.2006
7 ↑ Bürgerrundfunk: Feste Größe in der niedersächsischen Medienlandschaft, Pressemitteilung der NLM v. 23.11.2006. Horstmann, Reinhold: Reichweiten des niedersächsischen Bürgerrundfunks 2006, Präsentation der Ergebnisse, Hannover 7.12.2006
8 ↑ HAZ 7.12.2006
9 ↑ vgl. Anmerkung 7
10 ↑ vgl. Heckel, Christiane: Erstellung der ADM-Telefonauswahlgrundlage, Referat anlässlich des ZUMA-Workshop Methodische Probleme bei der Stichprobenziehung und –realisierung, Mannheim, 27./28.3.2001
11 ↑ Interview WDR 5, Leonardo – Wissenschaft und mehr, 14.2.2007
12 ↑ Institut für Medienforschung, Göttingen & Köln GmbH: Hörfunklandschaft Niedersachsen 2001 – eine vergleichende Analyse der öffentlich-rechtlichen und privaten Radiosender, S. 3
13 ↑ Ihle, Dirk: Zum Hintergrund der Arbeit der Programm AG, ohne Datum, etwa Januar 2007
14 ↑ Manuskript der Moderation des Magazins International v. 29.1.2007
15 ↑ Brief von Dr. Klaus-Jürgen Buchholz an die Homepage des Bundesverbandes Freier Radios v. 16.1.2007
16 ↑ Andeas Kuhnt: Vita
17 ↑ vgl. Meister, Alexander: Wie die Landesmedienanstalt die „Hörerakzeptanz“ des hannoverschen Bürgerradios verbessern will, Newsletter der DJU bzw. Ver.di-Nachrichten, Juni 2008
18 ↑ NLM, Einigungsvorschlag der Versammlung Frequenz UKW 106,5, Tischvorlage v. 21.5.2008
19 ↑ so belegte Radio Flora z.B. bei den „Evaluationsergebnissen im Rahmen von Inhaltsanalysen“ im Jahre 2005 bzgl. Wortanteil, Lokalbezug, publizistischer Ergänzung u.a. den zweiten Platz unter den niedersächsischen Bürgersendern, vgl. Volpers / Salwiczrk /Schnier: Hörfunklandschaft Niedersachsen 2005. Für ein im Jahr 2001 in der Redaktion International produziertes Radiofeature wurde der Alternative Medienpreis verliehen.
20 ↑ Protokolle der Einigungsgespräche v. 12.2. u. 7.4.2008. Informationen Klaus Falk v. 17.5.2008. Internetseite der X-City Marketing v. 17.5.2008. Internetseite der Ströer out of home media v. 17.5.2008.
21 ↑ Internetpräsentation des Freiwilligenzentrums v. 17.5.2008
22 ↑ Brief von Vorstandsmitglied Caren Beckers an ein Mitglied der Redaktion International v. 19.6.2008. Vgl. auch Gesellschaftsvertrag des neuen Radios in der Fassung vom Mai 2008: Demnach soll das Redaktionsstatut erst nach Gründung einer gemeinnützigen GmbH durch einen „Programmrat“ ausgearbeitet werden, der von der „Gesellschafterversammlung“ bestimmt wird, die wiederum von der Kuhnt-Gruppe dominiert wird. Werbeleute und Kommerzfunker werden also die Inhalte des Redaktionsstatutes diktieren.
Stimmen zum Radiofeature “Die Kampagne” – Briefe an die Redaktion
Dass die Flora-Chefs diese Sendung zensieren, ist obendrein der Gipfel. Ein erstklassiges Feature – informativ, handwerklich sauber gemacht und mit deutlicher Stellungnahme. Aber das ist ja auch absolut korrekt. (Steffen, Radio Unerhört, Marburg)
Danke für diese Einblicke… ist ja ein bisschen ein Signal für andere Länder (…) (Ralf, Radio Corax, Halle)
Vielen Dank für das gelungene Feature. (Franz, Kino im Sprengel, Hannover)
Durch Eure Pressemitteilung bin ich auf die Sendung (…) aufmerksam geworden und habe sie über Live-Stream hier in Oldenburg mit großem Interesse und blankem Entsetzen verfolgen können. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft daran, wie wir vor 13 Jahren in Oldenburg versuchten, ein Nichtkommerzielles Lokalradio aufzubauen und wie sich die Radio-Aktiven aus ganz Niedersachsen alle paar Monate über den damaligen Interessenverband Ingehn reihrund bei den einzelnen Initiativen trafen. An die Versammlungen im Faust (bei Flora, LaMouche und Open Air) erinnere ich mich gern zurück. (…) Als am Ende die sechs NKLs auf Sendung gingen (beim Sendestart von Euch war ich sogar dabei), war für mich Radio Flora immer die interessanteste Ini, weil ich merkte, dass die damaligen Gründungsmitglieder auch in etwa meine Ideale hatten. Umso erschreckender ist es für mich, nun zu erfahren, wie es um Radio Flora steht. (Michael, Oldenburg)
Ich habe den Eindruck, dass es bei Flora keinen Raum für Gedanken “gegen den Strich” und keine Kultur der Auseinandersetzung (mehr?) gibt. Wozu dann noch ein unabhängiges Radio? (Christine, Hannover)
Es wurde auch höchste Zeit, die Hörerschaft endlich über die Entwicklung bei Radio Flora zu informieren. Danke an Hubert und Mechthild! (Erika, Hannover)
Erklärung der Redaktion International
Am Montag, den 07.07.2008 haben Vorstand und Sendeleitung von Radio Flora die Ausstrahlung des Features „Die Kampagne – Beseitigung eines selbstverwalteten Radiobetriebes in Hannover“ verhindert.
Wir protestieren schärfstens gegen diese Zensur und den damit verbundenen Frontalangriff auf die im Redaktionsstatut verankerte Autonomie der Redaktionen, in diesem Fall die Entscheidung der Redaktion International, das genannte Feature am Montag, den 07.07.08 im Rahmen des Magazin International zu senden.
Im Redaktionsstatut wird nicht nur auf die Gleichberechtigung aller Arbeitsbereiche, Redaktionen und Personen hingewiesen, sondern auch auf die Publizistische Freiheit, derzufolge redaktionell Mitwirkende nicht veranlasst werden dürfen, „in Sendungen, Beiträgen und Moderationen, für die sie als Autoren verantwortlich sind, eine der eigenen Überzeugung oder Information widersprechende Information als richtig zu bezeichnen, diese zu veröffentlichen oder die Veröffentlichung von Tatsachen und Meinungen zu unterlassen.“
Doch genau das ist am Montag geschehen!
Für uns ist nicht hinnehmbar, wie sich die derzeitige Sendeleitung als Chef aufspielt und – zumeist unerfahrene Techniker – unter Druck setzt, sein Verständnis von Radiomachen mit Hilfe der Kontrolle der Regler durchzudrücken. Sie agieren „auf Anweisungen des Chefs“ und wagen es nicht, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Ein solcher „Befehlsnotstand“ ist aus militärischen Strukturen bekannt und hat in einem „basisdemokratisch verfassten Bürgerrundfunksender“ (Redaktionsstatut radio flora, Allgemeine Grundsätze) nichts zu suchen.
Hannover 10.07.08 Redaktion International von Radio Flora
Interview mit Hubert Brieden bei Radio Dreyeckland, Freiburg. Die ursprünglich geplante Diskussion zwischen dem Autor des Features und dem Programmleiter Achim Wiese kam nicht zustande, weil letzterer sich weigerte, eine Stellungnahme abzugeben.
www.freie-radios.net/portal/content.php?id=23202
Fortsetzung der Kampagne gegen das selbstverwaltete Radio und Gegenwehr
– Chronologie –
Disziplinierung von Mechthild Dortmund. Gegen Mechthild Dortmund, verantwortliche Redakteurin des zensierten Magazins International vom 7.7.2008, werden zur Zeit administrative Schritte eingeleitet, um sie zu disziplinieren. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass bereits der hauptamtliche Musikkoordinator von Radio Flora wegen einer flapsigen Bemerkung zur Landesmedienanstalt gekündigt und mit Hausverbot belegt wurde (vgl. “Die Kampagne”).
Entscheidung in kleinem Kreis. Für den 27.7.2008 wurde eine Mitgliederversammlung des Trägervereins einberufen, um – mitten in den Sommerferien und damit garantiert in kleinem Kreise – die endgültige Abwicklung Radio Floras beschließen zu lassen.
Verbot des Magazins International. Seit dem Sendestart des hannoverschen Bürgerradios Flora im Juni 1997 gibt es das Magazin International. Für Montag, den 14.7.2008 haben die Redakteurinnen Stefanie Theil und Renate Klein – letztere gehört zur Gründergeneration von Radio Flora – eine Diskussion zum Thema „Zensur im Bürgerradio“ angesetzt, zu der eine Reihe von Studiogästen geladen wurden: darunter Mechthild Dortmund, deren Sendung am vergangenen Montag zensiert wurde, der Autor Hubert Brieden, dessen Radiofeature „Die Kampagne“ im Redaktionsteil von Radio Flora nicht gesendet werden darf, Jürgen Scharna, Betriebsrat bei der Continental AG, der als Gewerkschafter seit Jahren die Entwicklung von Radio Flora aufmerksam beobachtet und Achim Wiese, Sendeleiter bei Radio Flora und verantwortlich für die Zensurfälle. Die Sendeleitung sagte ab und vom Vorstand des Trägervereins wurde die geplante Diskussion zum Anlass genommen, das Magazin International bis auf Weiteres zu verbieten. Begründung: Die Diskussion gefährde die „erneute Lizenzierung“. Trotz des Verbotes werden Stefanie Theil und Renate Klein am Montag, den 14.7.08 von 18.05 bis 19.00 versuchen, ihre Sendung wie geplant durchzuführen.
12.7.2008: Drei RedakteurInnen legen Beschwerde wegen der Zensurpolitik des Flora-Vorstandes bei der Niedersächsischen Landesmedienanstalt ein.
12.7.2008: Die Redaktion International nimmt in einem Schreiben an den Flora-Vorstand Stellung zum Verbot des Magazins International. Darin heißt es u.a.: “Die Fakten zur Radiolizenz sind klar: Radio Flora wird keine neue Lizenz bekommen. Der neue Lizenznehmer wird eine andere juristische Person sein, das Radio wird ein hierarchisch strukturiertes Chefradio sein, es wird andere Räumlichkeiten beziehen und unter Kontrolle der Werbewirtschaft stehen. Kurz: Es wird nichts mit Radio Flora zu tun haben. Einige Personen und Bereiche von Radio Flora wollen sich am neuen Projekt beteiligen, andere lehnen dies ab. Die Personen, die sich daran beteiligen wollen, missbrauchen derzeit Radio Flora für ihre persönlichen Interessen und finanziellen Vorteile. Sie sollten ehrlicherweise aus dem Verein austreten und sich dem neuen Lizenznehmer anschließen oder sich bei ihm bewerben. (…) Radio Flora wurde durch die Politik der Landesmedienanstalt, des Vorstandes und der Sendeleitung zerstört. Die Presse- und Meinungsfreiheit wurde abgeschafft. Das Tagesprogramm driftet auf Flachfunkniveau und hat inzwischen viele HörerInnen verloren. Die demokratische Verfasstheit des Radiobetriebes existiert durch eure Aktionen nur noch auf dem Papier. Uns liegen zahlreiche Stellungnahmen von Mitgliedern und HörerInnen vor, die entsetzt sind von eurem Verhalten. Die konfrontative, ausgrenzende und autoritäre Politik von Sendeleitung und Vorstand schüchtert MitarbeiterInnen ein, junge unerfahrene Techniker und Moderatoren werden gezielt gegen Ehrenamtliche in Stellung gebracht.”
14.7.2008: Die Hannoversche Allgemeine Zeitung und die tageszeitung aus Berlin berichten ausführlich über den Konflikt bei Radio Flora.
14.7.2008: Der Bundesverband Freier Radios (BFR) schreibt in einem offenen Brief an den Vorstand von Radio Flora u.a.: “Die bisherigen Maßnahmen gegen die Redaktion International scheinen uns unvereinbar mit den Grundsätzen Freier Radios. Die Mitgliedsradios des BFR verpflichten sich, Personen und Gruppen gemäß ihrer Redaktionsstatuten die Möglichkeit zur unzensierten Meinungsäußerung und Informationsvermittlung zu geben. Vor diesem Hintergrund sehen wir die Zensur von selbstkritischen Sendungen einer regulär sendenden Redaktion auch als Verletzung der Meinungs- und Pressefreiheit. Wir protestieren scharf gegen die Verfahrensweise und fordern die Verantwortlichen nachdrücklich auf, weitere Versuche zu unterlassen, die publizistische Freiheit kritischer MitarbeiterInnen einzuschränken. Besonders verwundert uns, dass gerade eine Sendung abgesetzt wurde, die sich kritisch mit der Rolle der Aufsichtsbehörde die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) auseinandersetzt. Hintergrund dieser Vorgänge ist anscheinend die Politik der NLM, die Radio Flora die Verlängerung der Sendelizenz im Vorjahr unter dem Vorwand mangelnder Akzeptanz des Programms verweigert hatte. Demokratische Strukturen und kritische Positionen werden von einigen MitarbeiterInnen von Radio Flora nun offenbar als “Entwicklungshemmnisse” betrachtet, die vor der Neulizenzierung beseitigt werden sollen. Quotenorientierung und Anpassung an den Mainstream kann nicht Basis eines gesellschaftlich emanzipatorischen Hörfunkprogramms sein. Der Bundesverband Freier Radios unterstützt die Forderung, Radio Flora als Freies Radio zu erhalten.”
14.7.2008: Die Technik-Ag von Radio Flora erklärt zum Abbruch des Magazins International am 7.7.2008 u.a.: “Die technischen Einrichtungen von Radio Flora und die Dienstleistung der Techniker stehen gleichberechtigt allen Nutzern von Radio Flora zur Verfügung. Die Technik hat sich deshalb bei internen Auseinandersetzungen stets als neutral verstanden und wird sich nicht für irgendeine Seite instumentalisieren lassen. Mit Empörung wehren wir uns deshalb dagegen, wenn Vereinsvorstand und Sendeleiter ihre Stellung missbrauchen, um von einem Techniker den Abbruch einer Sendung zu verlangen, weil ihnen deren Inhalt nicht passt. Zum Abbruch einer Sendung gibt es für Techniker einen einzigen legitimen Grund: schwerwiegende technische Mängel. Ein Abbruch aus inhaltlichen Gründen käme allenfalls bei Verstößen gegen das Presserecht (Beleidigungen, Aufruf zu Straftaten) in Frage. Solche lagen bei der Sendung Magazin International am 7.7. nicht vor. Vorstand und Sendeleiter sind gegenüber Technikern auch nicht weisungsberechtigt, dies ist ausschließlich der Leiter der Technik! Der Ablauf einer Sendung wird ausschließlich durch die Kommunikation zwischen dem diensthabenden Techniker und den verantwortlichen der jeweiligen Sendung geregelt. Andere Personen haben bei diesen Vorgängen und insbesondere im Technikraum nichts zu suchen. Wer aus Radio Flora ein Chefradio machen will, sollte sich das gut überlegen, denn noch funktioniert der Sendebetrieb nur, weil es ehrenamtliche Mitarbeiter und Azubis gibt, die freiwillig den technischen Dienst für Abends und am Wochenende übernehmen, Leute, die Geräte reparieren und Computer mit Software ausstatten. Wer das ändern will, riskiert, dass durch Ausfall des technischen Dienstes und Ausfall der Geräte (Verschleiß, mangelnde Wartung) der Sendebetrieb schon vor dem 31.3.2009 eingestellt werden muss. Die Technik-AG ist wie die Redaktionen Teil der basisdemokratischen Strukturen bei Radio Flora, wie sie bei Gründung zum Selbstverständnis des Senders gehörten. Wir in der Technik sind Dienstleistende für euch alle, solange das bei Radio Flora noch möglich ist. Wir erwarten eine Klärung, ob diese Bedingungen noch bestehen.”
Die im Funkhaus ausgehängte Erklährung der Technik-Ag wird durch die Sendeleitung entfernt.
14.7.2008: Ein erster Erfolg: Dank der Unterstützung aus Hannover und dem ganzen Bundesgebiet konnte das verbotene Magazin International am 14.7.2008 wie geplant mit der Diskussion zum Thema “Zensur im Bürgerradio” stattfinden.
Die Diskussion ist zu hören unter:
www.freie-radios.net/portal/content.php?id=23297
Ein hörbares Plädoyer für den Erhalt des demokratischen Redaktionsstatutes von Radio Flora findet sich unter:
www.freie-radios.net/portal/content.php?id=23310
14.7.2008: Auch vor dem Funkhaus von Radio Flora wird über die Zensur im Bürgerradio diskutiert.
15.7.2008: Neues Deutschland und die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichten über den Konflikt bei Radio Flora.
15.7.2008: Die Niedersächsische Landesmedienanstalt teilt auf die Beschwerde vom 12.7. mit, sie fühle sich nicht zuständig, da keine medienrechtlichen Fragen berührt seien. Der Konflikt müsse in den zuständigen Gremien von Radio Flora gelöst werden.
18.7.2008: Radio Corax, Halle, sendet hintereinander jeweils ein separates Interview mir Flora-Vorstandsmitglied Caren Beckers und dem Autor des Features “Die Kampagne” Hubert Brieden. Ursprünglich wollte Radio Corax wie auch schon Radio Dreyeckland (s.o.) eine Diskussion per Konferenzschaltung organisieren. Doch dazu kam es nicht. Nach langem Hin und Her – der bereits festgelegte Sendetermin musste auf Wunsch des Flora-Vorstandes dreimal verschoben werden – ließ Caren Beckers mitteilen, sie wolle keine Diskussion, sei aber zu einem Interview bereit.
Zu hören ist das Interview mit Caren Beckers unter:
www.freie-radios.net/portal/content.php?id=23362
und das Interview mit Hubert Brieden unter:
www.freie-radios.net/portal/content.php?id=23363
21.7.2008: Soeben ist der „Gesellschaftsvertrag“ bekannt geworden, den der Vorstand des Trägervereins von Radio Flora mit den beiden anderen Bewerbern um die Bürgerundfunklizenz, dem Radio Team Niedersachsen und dem Lokalradio Neustadt, aushandelte. Der Vertrag folgt den Vorgaben der Niedersächsischen Landesmedienanstalt, mit denen die Kontrolle des hannoverschen Bürgerrundfunks durch die Kommerz- und Werbefunker um den ehemaligen Bildzeitungsredakteur Andreas Kuhnt (Radio Team Niedersachsen) sichergestellt werden sollte. (vgl. Radiofeature “Die Kampagne”) Es kam so, wie es vorauszusehen war:
1. In sämtlichen Gremien der neuen Radiogesellschaft hält das Radio Team Niedersachsen die Mehrheitsanteile und kontrolliert damit den gesamten Radiobetrieb inhaltlich, organisatorisch und finanziell.
2. Die Redaktionen werden vollständig entmündigt, von einem Redaktionssatut ist nicht mehr die Rede.
3. Wesentliche Ziele und Programmgrundsätze, wie sie in der Vereinssatzung von Radio Flora festgeschrieben sind, bleiben auf der Strecke. Insbesondere die Beteiligung von Menschen, die zu herkömmlichen Medien keinen oder nur begrenzten Zugang haben, ist nicht mehr gewährleistet.
4. Gewerkschaftliche Bildungseinrichtungen, die bislang eine wesentliche Rolle im Weiterbildungsbereich des Radios spielten, sind als Kooperationspartner nicht mehr vorgesehen.
23.7.2008: Verhandlungen gescheitert. Wie Hannoversche Allgemeine Zeitung und Neue Presse berichten, hat das kommerziell orientierte “Radio Team Niedersachsen” um den ehemaligen Bildzeitungsredakteur und Werbeunternehmer Kuhnt (Einzelheiten s. Radiofeature “Die Kampagne”) die Verhandlungen mit dem Vorstand von Radio Flora abgebrochen. Er sehe angesichts der Opposition bei Flora keine Chance mehr für eine Zusammenarbeit. Karen Beckers, Vorstandsmitglied von Radio Flora, heißt es weiter, bedauere diese Entscheidung, Kuhnt hätte doch noch die Mitgliederversammlung des Flora-Trägervereins am kommenden Sonntag abwarten sollen. Die Einberufung der Mitgliederversammlung mitten in den Sommerferien war im Verein auf heftige Kritik gestoßen. Bei den Gegnern der Kommerzialisierung des Bürgerrundfunks wird der Abbruch der Verhandlungen dagegen begrüßt. Caren Beckers droht der Opposition unterdessen mit Sanktionen. In der Neuen Presse wird sie mit den Worten zitiert: “Der Verein muss sich überlegen, wie sie mit Mitgliedern umgeht, die den beschlossenen Reformkurs torpedieren.” Gleichzeitig legt der Vorstand den Entwurf für ein neues Redaktionsstatut vor, mit dem die Redakationen entmündigt und ein hierarchisch organisiertes Chefradio etabliert werden soll.
24.7.2008: Nach Abruch der Einigungsgespräche versucht das kommerziell orientierte “Radio Team Niedersachsen” über die Zeitung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Radio Flora anzuwerben. Der kleinen Gruppe fehlt nämlich einerseits das Personal, um einen ganztägigen Radiobetrieb in Gang zu halten und andererseits das Geld, um Personal zu bezahlen. Für diejenigen Flora-Redakteurinnen und Redakteure, die an den Grundsätzen und am gültigen Redaktionsstatut von Radio Flora festhalten, gilt: Keinen Handschlag und keinen Cent für den Flachfunk!
27.7.2008: Antrag auf Ausschluss von MitarbeiterInnen der Redaktion International gescheitert. Auf der Mitgliederversammlung des Trägervereins von Radio Flora stellte der Vereinsvorstand den Antrag, vier Personen, die an der durch die Sendeleitung und den Vorstand zensierten Sendung des Magazins International vom 7.7. beteiligt waren, aus dem Verein auszuschließen: die verantwortliche Redakteurin und ein weiteres Mitglied der Redaktion, einen Techniker, der sich der Anordnung der „Chefs“ zum Abbruch der Sendung widersetzte und den Autor des Features „Die Kampagne“. Weder waren die Betroffenen, wie es die Vereinssatzung vorschreibt, bis dahin zu den Vorwürfen gehört, noch waren sie darüber unterrichtet worden, dass gegen sie Ausschlussanträge vorgelegt werden würden. Für die Ausschlüsse wäre eine Zweidrittel-Mehrheit der anwesenden Mitglieder nötig gewesen. Doch die Mehrheit der Versammlung stimmte für den Abbruch der Debatte und setzte sich dafür ein, konstruktiv an den inhaltlichen Fragen im Zusammenhang mit der Beantragung der Sendelizenz weiterzuarbeiten. Nach dem Scheitern seiner Anträge trat der Vorstand zurück. In persönlichen Stellungnahmen einzelner Vereinsmitglieder wurde anschließend deutlich, dass die Ausschlüsse die Voraussetzung gewesen wären, um die Einigungsgespräche mit den Werbe- und Kommerzleuten um das „Radio Team Niedersachsen“ fortsetzen zu können. Diese Verhandlungen seien jetzt endgültig gescheitert. Vorstandsmitglied Caren Beckers erklärte zum 1.9.08 ihren Austritt aus dem Trägerverein von Radio Flora. Bereits auf der Mitgliederversammlung hatte sie die mögliche Gründung eines neuen Vereins nicht ausgeschlossen.
29.7.2008: In einem Rundschreiben des “Freiwilligenzentrums Hannover” an seine Mitgliedsorganisationen, werben Vorstand und Geschäftsführung dieses Vereins für die Beteiligung am neuen Radio unter der Führung des “Radio Teams Niedersachsen”. Das “Freiwilligenzentrum” war seit geraumer Zeit als Gesellschafter des neuen kommerznahen Radios im Gespräch (vgl. Feature “Die Kampagne”). Wie dem Schreiben zu entnehmen ist, hofft das “Freiwilligenzentrum”, im neuen Radio Werbung für den eigenen Verein machen zu können. Weiter heißt es: “Die Konflikte innerhalb Radio Flora (sic!) und einige extreme Positionen sowie der Rücktritt des Vorstandes lassen derzeit keine Möglichkeit der Zusammenarbeit mit Flora zu.” Worin die extremen Positionen bestehen könnten, wird nicht erläutert. Weiter heißt es, die Mitarbeiter von Radio Flora seien im neuen Sender “herzlich willkommen”. Auch das “Freiwilligenzentrum” möchte also auf die personellen Ressourcen von Radio Flora nicht verzichten. Ein Votum der Mitgliederversammlung des “Freiwilligenzentrums” haben sich Vorstand und Geschäftsführung für ihr Vorgehen gegen Radio Flora bislang nicht eingeholt.
31.7.2008: Einem Antrag des Lokalradios Neustadts an die Stadt Neustadt auf Unterstützung des neu zu bildenden Radios ist zu entnehmen, dass in Bürgersendern auf Leitungsebene jährlich folgende Gehälter üblich seien: Geschäftsführer und Programmdirektor: 50-55.000 Euro, Technik: 30-33.000 Euro, Redaktion/medeinpädagogische Ausbildung: 40 000 Euro. Verwaltung und Assistenz von Geschäftsführer und Programmdirektor dagegen sollen ehrenamtlich arbeiten.
4.8.2008: Der Leine-Zeitung ist zu entnehmen, dass das Lokalradio Neustadt die Städte Wunstorf und Neustadt sowie die Steinhuder Meer Tourismus GmbH um Unterstützung gebeten hat. Das Stadtmarketing könne möglicherweise in Zukunft im Radio unterstützt werden.
5.8.2008: Fortgesetzte Zensur im Redaktionsbereich von Radio Flora. Eine Redakteurin der Sendung “Polenflug” wollte das Feature “Die Kampagne” senden, um auch die polnischsprachigen HörerInnen über die Abwicklung des selbstverwalteten Radiobetriebes und die Kommerzialisierung der Lokalradiofrequenz zu informieren. Kurzfristig wurde der Beitrag aus dem Programm genommen.
7.8.2008: Auch für den Tourismus am Steinhuder Meer soll das neue Radio in Zukunft Werbung machen. Das Neustädter Lokalradio habe bereits eine Kooperation mit dem Naturpark Steinhuder Meer vereinbart, bereichtet die Leine-Zeitung. Von dieser Allinaz verspreche sich das Lokalradio “Synergieeffekte”. Was darunter zu verstehen sei, wird nicht erläutert.
11.8.2008: Fortgesetzte Zensur im Redaktionsbereich von Radio Flora. Das von der Fraktion um den zurückgetretenen Vereinsvorstand dominierte Radioplenum empfahl mehrheitlich, das Radiofeature “Die Kampagne” im Redaktionsbereich des Radios nicht zu senden. Die Programmkonferenz folgte dieser Empfehlung. Inhaltliche Argumente für die Zensur wurden bislang nicht gegeben.
15.8.2008: Es wächst zusammen, was zusammen gehört: Andreas Kuhnt, der sich mit dem Radio Team Niedersachsen für die Bürgerrundfunklizenz bewirbt, hat die Leitung der Kommunikationsabteilung von Hannover 96 übernommen. Präsident des Fußballvereins ist Martin Kind, Geschäftsführer der KIND Gruppe GmbH und Co KG, der als Gesellschafter im neuen kommerziellen Bürgerradio um Kuhnt im Gespräch ist (vgl. Feature “Die Kampagne”). Die KIND Gruppe besteht aus der KIND Hörgeräte GmbH & Co KG, der KIND Arbeitssicherheit GmbH, der audifon GmbH & Co KG und der KIND Hotel Betriebs GmbH & Co KG. Die KIND Hörgeräte GmbH & Co KG ist in ca. 390 Standorten in Deutschland aktiv, außerdem in Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Großbritannien, Luxemburg, Österreich, Russland, Schweiz, Singapur, Spanien, Tschechien, Ungarn und der Ukraine.
15.8.2008: Disziplinierung der Redaktion International: Caren Beckers kündigt an, auf der nächsten Programmkonferenz von Radio Flora, den Antrag zu stellen, der Redaktion International den Redaktionsstatus abzuerkennen. Grund: Die Redaktion wollte auf ihrer regulären Sitzung im Funkhaus mit RadiomitarbeiterInnen und HörerInnen über das Feature “Die Kampagne” diskutieren.
17.8.2008: Der Trägerverein von Radio Flora, “Freundeskreis Lokal-Radio Hannover e.V.”, hat mit großer Mehrheit einen neuen neunköpfigen Vorstand gewählt, der “die gesamte Bandbreite des Radios widerspiegelt”, wie es in einer ersten Pressemitteilung heißt. Gewählt wurden: Alfred Klose, Beate Gonitzi, Christine Höbermann, Grazyna Kamien-Söffker, Hans-Dieter Braun, Klaus Falk, Sebastian Wertmüller, Thomas Praß und Wilhelm Lübbe.
18.8.2008: Caren Beckers erscheint nicht, wie angekündigt, auf der Programmkonferenz. Der Antrag, der Redaktion International den Redaktionsstatus abzuerkennen wird daher nicht gestellt. Damit ist dieser vom Ex-Vorstand bewusst provozierte Konflikt beigelegt.
19.8.2008: Die Zeitschrift “Rundblick Nord-Report” macht Stimmung gegen Radio Flora und meldet, Ex-Vorstandsmitglied Caren Beckers wolle mit einigen Mitstreitern noch diese Woche einen neuen Verein gründen, um mit dem ”Radio Team Niedersachsen” und “Radio Neustadt” zu kooperieren. Weiter heißt es, der neue Verein verstehe sich als “Interessenvertretung für Radio Flora-Mitarbeiter”. Offensichtlich sollen mit dem neuen Verein Flora-MitarbeiterInnen für das mit der Wirtschaft verquickte Radio um Andreas Kuhnt abgeworben werden.
27.8.2008: Der Vorstand des Freundeskreises Lokalradio Hannover e.V. (Flora) teilt der Presse mit, dass der Verein “mit einem eigenen Lizenzantrag ins Rennen um die Frequenz 106,5 Mhz geht. Es werde trotz eigener Gesprächsbereitschaft wohl keine weiteren Einigungsverhandlungen mit dem konkurrierenden Anbieter Radio Team Niedersachsen geben”.
29.8.2008: Der Bundesverband Freier Radios (BFR) gratuliert dem neuen Flora-Vorstand zu seiner Wahl und wünscht alles Gute für die anstehenden schwierigen Aufgaben. Weiter heißt es, man habe “die Vorgänge bei Radio Flora in den letzten Wochen mit Interesse und Besorgnis beobachtet. Die nun erfolgte Vorstandsneuwahl lässt hoffen, dass es gelingt, die interne Krise konstruktiv zu lösen und für Flora eine Perspektive zu entwickeln, mit der freie emanzipative Radiokultur in Hannover in möglichst großen Teilen erhalten bleibt.”
3.9.2008: Interview von Radio Corax, Halle, mit Hubert Brieden (Mitarbeiter der Redaktion International) zur derzeitigen Situation bei Radio Flora. Zu hören unter: www.freie-radios.net/portal/content.php?id=23883
4.9.2008: Arbeiter der Kooperative Tradoc (Demokratische Arbeiter des Westens) aus El Salto in Mexiko setzen sich bei der Landesmedienanstalt für den Erhalt von Radio Flora ein. Während eines mehr als dreijährigen Streiks den sie gegen den Continental-Konzern gewannen, hatten die Reifenarbeiter mehrmals Hannover besucht und ihr Anliegen bei Radio Flora darstellen können. Unter anderem heißt es in dem Schreiben: “Dank der Unterstützung, die wir von der Buena Onda und dem Magazin International sowie später von zahlreichen anderen Organisationen und Medien bekamen, gab es für die mexikanischen Arbeiter der Reifenfabrik Euzkadi Gerechtigkeit. Heute sind sie, Demokratische Arbeiter des Westens, als Kooperative organisiert. Die internationale Solidarität war der Schlüssel, um den wichtigen Sieg zu erringen. Deswegen bitten wir Sie darum, Radio Flora zu erhalten, insbesondere die Programme, denen wir zu ehrlichem Dank verpflichtet sind. Diese Schuld können wir nur zurückgeben in Form unserer breiten Anerkennung und Unterstützung in einem Moment, in dem Radio Flora diese Unterstützung braucht.”
9.9.2008: In einer Presseerklärung begründet der Arbeitskreis Regionalgeschichte, warum er sich für Radio Flora und nicht für das Neustädter Lokalradio einsetzt. Unter anderem heißt es in der Presseerklärung, die auch an den Neustädter Bürgermeister Uwe Sternbeck geschickt wurde: “Beim Lokalradio Neustadt dagegen bestand kaum Interesse an den Inhalten unserer Arbeit. Auch wegen der ausschließlichen Ausrichtung auf kleinformatige Magazinbeiträge und leichte Unterhaltung waren unsere Produktionen dort nicht zu platzieren. Die jetzt bekannt gewordene gemeinsame Lizenzbewerbung des Neustädter Lokalradios mit dem eher kommerziell orientierten Radio Team Niedersachsen lässt vermuten, dass bestimmte Inhalte und anspruchsvolle Wortbeiträge bei diesem Bewerber auch in Zukunft keinen Platz haben werden. Schockiert waren wir, als bereits während der Einigungsgespräche zwischen dem Radio Team Niedersachsen, dem Lokalradio Neustadt und Radio Flora erstmals ein vom Arbeitskreis Regionalgeschichte produzierter Beitrag zensiert wurde (…). Diese verhängnisvolle Entwicklung wurde bei Radio Flora durch die Wahl eines neuen Vorstandes und einen eigenen Lizenzantrag inzwischen korrigiert. Im Interesse von Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt gerade auch in den ländlichen Teilen der Region Hannover ruft der Arbeitskreis Regionalgeschichte daher dazu auf, sich für die Verlängerung der Lizenz von Radio Flora einzusetzen.”
6.10.2008: In einem achtseitigen Schreiben des Fachbereichs Medien, Kunst und Industrie des Ver.di Landesbezirks Niedersachsen-Bremen an die Mitglieder der Versammlung der Niedersächsischen Landesmedienanstalt wird die Arbeit von Radio Flora und die Politik der Landesmedienanstalt analysiert. Unter anderem heißt es, es sei der Eindruck entstanden, „dass die Verwaltung der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) Radio Flora in den vergangenen Wochen und Monaten erheblich schlechtere Ausgangsbedingungen bei der Lizenzvergabe zubilligte, als den Mitbewerbern, insbesondere dem Radio Team Niedersachsen. (…) Der Landesbezirksfachbereichsvorstand ist der Meinung, dass sich mit der Situation rund um die Lizenzvergabe in Hannover auch die Frage nach der Zukunft des Bürgerfunks in Niedersachsen stellt. Wird der Bürgerfunk in einer Zeit, in der erstmals kommerzielle Lokalfunksender entstehen, ebenfalls kommerzieller, gefälliger und „reibungsloser“? Verwischen zunehmend die Grenzen zwischen Bürgerfunk, Privatfunk und kommerziellem Lokalfunk in Niedersachsen und gehen individuelle Charaktereigenschaften der unterschiedlichen Sendegesellschaften verloren?“ Weiter heißt es: Man sei „betroffen angesichts der Art und Weise, wie das inzwischen gescheiterte Vermittlungsverfahren in der Landesmedienanstalt organisiert und durchgeführt wurde.“ Der Eindruck sei entstanden, „dass hier einem Bewerber (dem Radio Team Niedersachsen) „klare Vorteile bei der Lizenzvergabe eingeräumt werden sollen.“
6.10.2008: Der ehemaliger Mitarbeiter des Lokalradios Neustadt, Reiner Sbrzesny, kritisiert in einem Studiogespräch mit Hubert Brieden im “Magazin International” die mangelnde Qualität der Sendungen aus Neustadt.
10.10.2008: Das Lokalradio Neustadt lässt die Presse wissen, es fühle sich durch diese Kritik verunglimpft und man werde sich darüber bei der Landesmedienanstalt beschweren. Inhaltlich ist das Lokalradio Neustadt bislang weder auf die Kritik des ehemaligen Mitarbeiters noch auf die des Arbeitskreises Regionalgeschichte eingegangen.
11.10.2008: Hubert Brieden in einem Offenen Brief an das Neustädter Lokalradio: “Mit Interesse habe ich zwei Artikel in der Neustädter Lokalpresse (Leine-Zeitung v. 10.10.2008, Neustädter Zeitung vom 11.10.2008) zur Kenntnis genommen, aus denen hervorgeht, dass Ihr Euch bei der Landesmedienanstalt über ein Studiogespräch beschwert, das ich als Neustädter und Mitarbeiter des Arbeitskreises Regionalgeschichte im „Magazin International“ bei Radio Flora mit dem ehemaligen Mitarbeiter des Lokalradios Neustadt, Reiner Sbrzesny, geführt habe. In diesem Studiogespräch warf Reiner Sbrzesny Euch auf Grund seiner Erfahrungen im Neustädter Lokalradio vor, unprofessionell zu arbeiten. Ich selber zitierte aus Texten des Arbeitskreises Regionalgeschichte, die sich kritisch mit Eurer Arbeit auseinandersetzen. Die zentralen Vorwürfe: In Euerm Programm spiegele sich nicht die Vielfalt des gesellschaftlichen Lebens in Neustadt, bestimmte Themenbereiche und Spektren des politischen und sozialen Lebens seien bei Euch weitgehend oder sogar vollständig ausgeblendet. Eure Arbeit entspreche daher nicht den Anforderungen an den Bürgerrundfunk, wie sie im Landemediengesetz formuliert sind. Ferner wurde Euch vorgehalten, dass Ihr eine Nähe zur örtlichen Wirtschaft pflegt, die eine unabhängige journalistische Arbeit – um es mal vorsichtig zu formulieren – schwierig mache. Nun ist Kritik nicht angenehm, aber gerade von Journalisten im Bürgerrundfunk kann erwartet werden, dass sie sich damit auseinandersetzen. Aber statt beispielsweise eine Radiodiskussion mit den Kritikern zu organisieren, beschwert Ihr Euch bei der Landesmedienanstalt, präsentiert Euch in der Öffentlichkeit als unschuldiges Opfer und beweist einmal mehr Eure Unprofessionalität. In einer Art Verschwörungstheorie werft Ihr Radio Flora dann auch noch vor, dieses Interview nur deshalb ausgestrahlt zu haben, um das Neustädter Lokalradio als konkurrierenden Bewerber um die Bürgerrundfunklizenz schlecht zu machen. Dabei ist es ganz einfach: Radio Flora öffnet seine Studios für Menschen aus Neustadt, die bei Euch außen vor bleiben. Ihr solltet endlich zur Kenntnis nehmen: In Neustadt gibt es schwerwiegende Kritik an Eurer Arbeit. Zahlreiche Neustädterinnen und Neustädter sind mit Euerm Programm unzufrieden, weil für ihre Probleme und Anliegen im Neustädter Lokalradio kein Platz ist.”
15.10.2008: Die Leine-Zeitung (Beilage der Hannoverschen Allgemeinen und der Neuen Presse) berichtet über den Offenen Brief und die Kritik am Neustädter Lokalradio. Der Sprecher des Neustädter Radios, heißt es weiter, lehne eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Kritik ab, eine Radiodiskussion werde es nicht geben.
17./18.10.2008: Auf dem Ersten Europäischen Kongress von Frauen in Community-Radios in Madrid wird ausführlich über die Kampagne gegen Radio Flora berichtet. Organisiert war der Kongress von Radio Vallekas, einem Stadtteilradio im Osten Madrids, und dem Weltverband Freier Radios (AMARC). Anwesend waren etwa 100 Frauen aus Frankreich, der Schweiz, Irland, Italien, Deutschland und dem spanischen Staat. Einige Frauen berichteten über ihre Erfahrungen in den jeweiligen Radios (Stadtteilradios, Internetradios, selbstverwaltete Radios). Auf dem Kongress ging es einerseits um die Frage, welche organisatorischen und rechtlichen Bedingungen für Community-Radios existieren und andererseits um die Rolle, die die Arbeit von Frauen in diesen Radios für die Stärkung ihres Selbstbewusstseins, ihres gesellschaftliche Engagements und das Thematisieren der Gender-Problematik spielt. Berichtet wurde über die schwieriger werdende Situation der Freien Radios und der Bürgerradios in Deutschland, die zunehmende Reglementierung durch die Landesmedienanstalten sowie die Angriffe der Niedersächsischen Landesmedienanstalt, des Kommerzfunks und der Werbewirtschaft auf Radio Flora.
18.10.2008:DieLeine-Zeitung berichtet über die Bewerbung des Lokalradios Neustadt um die Bürgerrundfunklizenz. Unter anderem heißt es: Weder seien die Neustädter auf die Konkurrenz mit Radio Flora vorbereitet noch auf die Kritik am Lokalradio, die ausgerechnet aus Neustadt komme. Die “wahre Bewährungsprobe” stünde aber erst noch bevor: “Erst wenn die Landesmedienanstalt die Lizenz an die Radioteam-Bewerbegruppe vergibt, müssen sie beweisen, dass das Projekt Bürgerfunk nicht ein paar Nummern zu groß für sie ist.”
18.10.2008: Die Leine-Zeitung berichtet in einem weiteren Artikel, Achim Wiese, Sendeleiter bei Radio Flora, habe sich für die kritische Sendung des Magazins International beim Neustädter Lokalradio entschuldigt. Wie MitarbeiterInnen des Magazins International mitteilen, habe die Sendeleitung diesen Brief eigenmächtig und ohne Diskussion im Radio geschrieben. Im Sender ist Achim Wiese wegen der von ihm betriebenen Verflachung und Trivialisierung des Tagesprogramms umstritten (vgl. Radiofeature “Die Kampagne”). Eingestellt wurde er noch durch den alten Flora-Vorstand, der mit dem eher kommerziell orientierten Radio Team Niedersachsen kooperieren wollte, mit diesem Vorhaben aber scheiterte. Bundesweit bekannt wurde Achim Wiese durch die Zensur des Radiofeatures “Die Kampgane – Beseitigung eines selbstverwalteten Radiobetriebes in Hannover” während der laufenden Sendung.
21.10.2008: Caren Beckers, Hannover, beschwert sich in einem Leserbrief an die Leine-Zeitung über den Artikel zur Bewerbung des Lokalradios Neustadt vom 18.10. Ihr eigenes Engagement für die Bewerbung des Radio Teams Niedersachsen bleibt unerwähnt. Am 26.10. teilt C. Beckers mit, ihr Leserbrief sei um die entsprechenden Passagen gekürzt worden.
22.10.2008: Das Anzeigenblatt Neustädter Zeitung, das auf seiner Internetseite für das Neustädter Lokalradio wirbt, berichtet, Flora-Sendeleiter Achim Wiese habe sich auch bei dem zuständigen Referenten der Landesmedienanstalt Dr. Buchholz für die Kritik im Magazin International entschuldigt. Auf Nachfrage betonte Hubert Brieden, weder in der Redaktion International noch bei ihm persönlich sei eine Kritik des Sendeleiters eingegangen. Bislang sei es im hannoverschen Bürgerradio üblich gewesen, dass Kritik an Sendungen zunächst den betroffenen Redakteuren und Redakteurinnen gegenüber geäußert und im Radio diskutiert werde. Achim Wiese sei mit den demokratischen Gepflogenheiten bei Radio Flora offenbar wenig vertraut.
23.10.2008: In einer ausführlichen Gegendarstellung an die Neustädter Zeitung, die ihn falsch zitiert habe, konkretisiert und vertieft der ehemalige Mitarbeiter des Neustädter Lokalradios, Reiner Sbrzesny, seine bereits im Magazin International vorgetragene Kritk am Neustädter Sender: schlecht vorbereitete Moderationen, banale Sendeinhalte (die er mit ausführlichen Zitaten belegt), die unzureichende Distanz zu politischen Interessenvertretern und potentiellen Sponsoren. Außerdem fordert er die Offenlegung der Finanzierung des Radios.
26.10.2008: Das Lokalradio Neustadt beteiligt sich an der Kommerzveranstaltung Goldener Sonntag. Im Anzeigenblatt Neustädter Zeitung wird wie üblich Werbung für das Radio gemacht. Im Gegenzug bewirbt das Neustädter Radio das Werbeblatt auf seiner Internetseite.
26.10.2008: Die Mitgliederversammlung des Flora-Vereins beschließt die Gründung einer gemeinnützigen GmbH als Trägerin der zukünftigen Bürgerrundfunklizenz. Die Gesellschafter sind bislang: Arbeit und Leben gGmbH, Asphalt gGmbH, Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen e.V., Freundeskreis Lokalradio Hannover e.V., Geschichtswerkstatt Hannover e.V., Hannoversche Werkstätten gGmbH, Kargah e.V., Regionalsportbund e.V., Stiftung Leben und Umwelt/Heinrch Böll Stiftung Niedersachsen, Niedersächsischer Turnerbund e.V., Dietrich Burggraf (Leiter der Volkshochschule Hannover).
3.11.2008: Imagepflege und Rochade beim Radio Team Niedersachsen. Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) meldet, sei Andreas Kuhnt „bisher Kopf des RadioTeams Niedersachsen“ und Pressesprecher von Hannover 96 in der Bewerbergruppe um die Bürgerrundfunklizenz „in die zweite Reihe zurückgetreten“. Auch mehrere Gesellschafter, so die Zeitung weiter, sollen sich aus der gGmbH zurückgezogen haben: der Unternehmer und Präsident von Hannover 96, Martin Kind, die Werbefirma X-City Medien sowie Sparda-Bank-Chef Klaus Woyna. Als Gründe für den (Teil-)Rückzug nennt Kuhnt: 1. Sowohl seiner Gruppe als auch den Gesellschaftern sei in der öffentlichen Diskussion vorgeworfen worden, Kommerzfunk statt Bürgerrundfunk betreiben zu wollen. 2. Während der Gespräche im Vorfeld, sei ihnen klar geworden, dass von ihren Vorstellungen „am Ende nur wenig geblieben wäre“.
Das Radio Team Niedersachsen, das kaum über Kompetenzen im Bürgerrundfunk verfügt, sollte ursprünglich – so hatte es die Niedersächsische Landesmedienanstalt im Mai 2008 vorgesehen – die Mehrheitsanteile an einer mit Radio Flora zu gründenden Gesellschaft halten und den Radiobetrieb finanziell und inhaltlich kontrollieren. (vgl. Radiofeature „Die Kampagne“, Kapitel IX). Dieser Ausverkauf des hannoverschen Bürgerradios Flora scheiterte am Widerstand vieler aktiver RadiomacherInnen.
Geschäftsführer der „106,5 Rundfunkgesellschaft“ sind nun Caren Beckers und Christian Nagel. Dass Caren Beckers nach ihrem Scheitern als Vorstandsmitglied von Radio Flora in der Kuhnt-Gesellschaft einen Posten übernehmen würde, war von Beobachtern der Vorgänge rund um das Radio Team Niedersachsen bereits erwartet worden. Als Gesellschafter bleiben: Das Radio Team Niedersachsen, der Förderverein Bürgerradio Hannover von Caren Beckers, das Lokalradio Neustadt, der Fensehkanal H1 und das Freiwilligenzentrum Hannover. Kuhnt möchte der – im Vergleich mit Radio Flora recht mitgliederschwachen – Gesellschaft weiter “beratend” zur Seite stehen, wie es heißt. Auch mit den Ex-Gesellschaftern Kind, Woyna und X-City Medien, so Caren Beckers, habe man sich darauf verständigt, „in Kontakt zu bleiben“. Was darunter zu verstehen sei und ob die Unternehmen nach einer eventuellen Lizenzerteilung beabsichtigen, wieder einzusteigen, ist der Zeitung nicht zu entnehmen.
6.11.2008: Presseerklärung des Arbeitskreises Regionalgeschichte zur Versagung der Lizenz für Radio Flora: Das, was zu erwarten war, ist passiert. Die Kampagne der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) gegen Radio Flora wurde heute beendet. Die durch konservative Verbände dominierte Versammlung der (NLM) hat dem größten Bürgerradio in Niedersachsen die Lizenz versagt und sie stattdessen dem konkurrierenden Bewerber mit Nähe zur Werbewirtschaft erteilt. Im Laufe des Bewerbungsverfahrens konnten sich viele Beobachter des Eindrucks nicht erwehren, dass die NLM den Konkurrenten von Radio Flora systematisch bevorzuge (s.o. Radiofeature “Die Kampagne” sowie die Chronologie) und eine faire, vorurteilsfreie Lizenzvergabe nicht mehr zu erwarten sei. Sämtliche Auflagen der NLM wurden durch Radio Flora erfüllt. Es nutzte nichts.
Aber auch die mehr als 600 Mitglieder von Radio Flora und Tausende von Unterstützerinnen und Unterstützern spielten für die Entscheidung keine Rolle. Auf die Mitarbeit von Bürgerinnen und Bürgern wird dann kein Wert mehr gelegt, wenn sie andere Meinungen vertreten als die in den Mainstream-Medien üblichen und von der NLM erwünschten.
Erschreckend ist besonders, dass die NLM versuchte, Druck auf Radio Flora auszuüben, damit unerwünschte Inhalte und Personen aus dem Radiobetrieb ausgeschlossen würden. Betroffen waren auch Autoren und Autorinnen des Arbeitskreises Regionalgeschichte, die sich vor allem mit den Themen Rassismus, Antisemitismus, soziale Bewegungen sowie der NS-Geschichte der Region Hannover befassten, deren Arbeiten auch überregional Beachtung fanden und z.T. ausgezeichnet wurden. Doch diese Ausschlusspolitik ließ sich nicht durchsetzen. Dafür wurde Radio Flora jetzt abgestraft.
Das unerwünschte Radio sendet auf der UKW-Frequenz 106,5 Mhz noch bis zum 31.3.2009. Danach bleiben – so unsere Prognose – bunte Unterhaltung, Beliebigkeiten, Schleichwerbung und Zensur.
Damit sich die Hörerinnen und Hörer ein eignes Bild machen und vergleichen können, was vorher war und ab April 2009 kommt, werden wir bis dahin einige unserer Radioarbeiten noch einmal der Öffentlichkeit vorstellen. Die Sendetermine werden wir rechtzeitig bekanntgeben.
14.11.2008: Laut „Gesamtbescheid“ der Niedersächsischen Landesmedienanstalt im Zulassungsverfahren zum hannoverschen Bürgerrundfunk führten zwei wesentliche Gründe zur Verweigerung der Lizenz für Radio Flora:
Radio Flora orientiere sich immer noch zu sehr am Konzept der Freien Radios. (S. 25 f.)
Bei Radio Flora würden zu wenig die Meinungen aus dem „wirtschaftlich – unternehmerischen Bereich“ berücksichtigt. (S. 27)
Dass es in der zweieinhalbjährigen Kampagne gegen das hannoversche Bürgerradio genau darum ging, hatten Beobachter seit geraumer Zeit vermutet. Die Niedersächsische Landesmedienanstalt hat dies dankenswerter Weise jetzt auch offiziell bestätigt. Bekanntlich wollen Freie Radios denen eine Stimme geben, die sonst nicht gehört werden. Das ist nicht mehr erwünscht. Stattdessen soll nun endlich auch im Bürgerrundfunk die Wirtschaft zu Wort kommen.
1.3.2009: Die Mitgliederversammlung des Trägervereins von Radio Flora verweigert dem gescheiterten Vorstand um Caren Beckers die Entlastung und beschließt die Fortsetzung des Radios als Internetprojekt. Ein Großteil der aktiven RadiomacherInnen wird sich an diesem Projekt beteiligen.
In einem Arbeitspapier heißt es dazu:
I. Grundsätzliches: „Flora im Internet“ sollte sich an den Prinzipien der Freien Radios orientieren, wie sie auch in der Flora-Vereinssatzung und im Flora-Redaktionsstatut zum Ausdruck kommen, nämlich
– denen eine Stimme zu geben, die sonst nicht zu Wort kommen,
– Nachrichten und Informationen zu verbreiten, die in den Mainstreammedien verschwiegen werden.
Dazu ist es notwendig, dass Flora intensiv mit sozialen, politischen, gewerkschaftlichen und kulturellen Organisationen kooperiert, ohne dabei die politische, finanzielle und organisatorische Unabhängigkeit aufzugeben. Ausgehend von der Berichterstattung über politische, soziale und kulturelle Vorgänge in der Region Hannover sollen auch überregionale und internationale Themen berücksichtigt werden. Um die Möglichkeiten des Internets optimal zu nutzen soll mit den Freien Radios in Deutschland und mit unabhängigen Radios weltweit kooperiert werden. Bei letzterem werden muttersprachliche Redaktionen eine zentrale Rolle spielen.
II. Inhalte und Organisation: Flora sollte im Internet drei Bereiche abdecken:
Internetportal,
Live-Stream,
Beiträge zum Nachhören.
zu 1: Auf das Internetportal sollten aktuelle Nachrichten, die Textversionen der Beiträge aus dem Live-Stream, aber auch Bilder/Filme gestellt werden. Die Texte erscheinen auf Deutsch oder in den Sprachen der jeweiligen muttersprachlichen Redaktionen. Eine Unterscheidung zwischen Redaktionsradio und offenen Sendeplätzen wird es nicht mehr geben. Alle Bereiche sind gleichberechtigt. Interredaktionelle Sendungen sind in Vorbereitung. Folgende Rubriken/Redaktionen wären sinnvoll und können auch bereits abgedeckt werden:
– Aktuelle Nachrichten und Berichte (Lokal – Global),
– Soziales und Gewerkschaften,
– Ökologischer Landbau,
– Antifaschismus,
– Internationales und Muttersprachen,
– Gender (Schwule, Lesben),
– Frieden, Antimilitarismus,
– Kultur,
– Musik
– Geschichte,
Schlagwortregister.
zu 2: Der Flora-Live-Stream sollte nicht eine x-beliebige Kopie irgendeines x-beliebigen weitgehend inhaltsfreien Mainstreamradios sein, für das kein Bedarf besteht, sondern ein sowohl im Wort- als auch Musikteil qualifiziertes Spartenradio.
zu 3: Die im Live-Stream gesendeten Beiträge können ins Netz gestellt werden, wo sie jederzeit aufgerufen und gehört werden können.
III. Technik: Das ehemalige Ausbildungsstudio wird beibehalten. Von hier aus können Life-Sendungen ins Netz eingespeist werden. Außerdem soll eine Software beschafft werden, die es ermöglicht, auch dezentral zu senden. Textbeiträge sollen wie bisher auch schon von den einzelnen Redaktionen/Personen dezentral ins Netz gestellt werden können. Das gleiche gilt für die nachhörbaren Beiträge. Die Technik wird also der demokratischen Struktur von Flora angepasst.
Radio Flora ist weiter zu hören unter: www.radioflora.de und lädt Interessierte, Freunde und Unterstützer zu einer bunten Party unter dem Motto „Totgesagte leben länger“ am 20.3.2009 ab 20 Uhr in die Warenannahme auf dem Faust-Gelände in Hannver-Linden. Mit dabei sind u.a. The Fat Boogie Horns, Djingo (Santana-Cover), David von N. (Krawall-Poet), Trio Lerbs, The Peace Development Crew und Die Bilanz.
17.3.2009: Achim Wiese, umstrittener Sendeleiter bei Radio Flora, der für die zunehmende Verflachung des Tagesprogramms verantwortlich gemacht wird (vgl. Radiofeature “Die Kampagne”), wurde durch den Flora-Vorstand mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Seine Absetzung wurde im Radiobetrieb mit Erleichterung aufgenommen. Wie seit Langem erwartet, hat er einen Job beim “Bürgerrundfunk” “Leine-Hertz” angenommen, wie sich das wirtschaftsfreundliche zukünftige Radio um Caren Beckers inzwischen nennt. Auch die Verbindungen zu den Madsack-Medien werden – wie erwartet – enger. Ein Redakteur der Leine-Zeitung aus Neustadt (Regionalbeilage von HAZ und Neuer Presse) arbeitet bei “Leine-Hertz” mit.
20.3.2009: Die Flora-Party ist sehr gut besucht und das Flora-Internet-Projekt stößt auf reges Interesse.
20.3.2009: Wie der Hannoverschen Allgemeinen zu entnehmen ist, kann “LeineHertz” nicht wie ursprünglich geplant ab 1.4.09 den Sendebetrieb aufnehmen, weil – wie es heißt – die Studios nicht rechtzeitig fertig seien. Radio Flora wird trotz Umzuges ab 1.4. im Internet senden, ein komplettes Tagesprogramm im Live-Stream anbieten, darüber hinaus Beiträge zum Nachlesen und Nachhören.
1.4.2009: Um Mitternacht ging Radio Flora wie geplant als Internetradio auf Sendung. Das Programm für April 2009 ist einzusehen unter www.radioflora.de.
16.4.2009: Beim “Bürgeradio LeineHertz” – so berichten MitarbeiterInnen – gebe es inzwischen Unvereinbarkeitsbeschlüsse für Flora-Mitglieder. In den Redaktionen dürfe nur mitarbeiten, wer zuvor aus dem Flora-Trägerverein ausgetreten und nicht mehr bei Radio Flora tätig sei. Eine Stellungnahme des Geschäftsführers von “LeineHertz” ist zu hören auf der Internetseite von Radio Flora (www.radioflora.de) unter “Beiträge und Podcasts”, Kapitel “Gesellschaft”.
12.6.2009. “…keine Grenzen” – Christliche Mission im “Bürgerradio”. Wie der Evangelische Pressedienst meldet, will der neue hannoversche Lokalsender „LeineHertz“ als „Bürgersender“ seinen zukünftigen „Hörern Kirche und Glauben näher bringen“. Deshalb soll sonntags regelmäßig ein „Magazin zum christlichen Glauben“ mit dem Titel „Mehr als du glaubst“ ausgestrahlt werden. „Viele sind gläubig, haben aber wenig Ahnung von der Kirche.“, meint Henning Lühr, Chef der Kirchenredaktion von „LeineHertz“. Deshalb plane er eine Rubrik „Hallo Herr Pastor“. Es sei wichtig, so Lühr weiter, „dass ein Fachmann erklärt, welche Besonderheiten es in der Kirche gibt“, beispielsweise die „Bedeutung bestimmter Feiertage“. Daneben gehe es in einem weiteren Schwerpunkt auch um „das Soziale“. So solle bald über die „ehrenamtlichen ‚Grünen Damen’ in den hannoverschen Krankenhäusern informiert werden“. Außerdem werde auch „über Juden und Muslime berichtet“ kündigt Lühr an und hebt hervor: „Wir sind zu allen Seiten offen und kennen keine Grenzen.“
17.6.2009. Zum Sendestart von LeineHertz zwei Beiträge bei Radio Flora:
LeineHertz: Radio an der Leine
Radiobeitrag von Hubert Brieden
Am 17.6.2009 nahm mit zweieinhalb Monaten Verspätung ein neues hannoversches „Bürgerradio“ mit dem Namen „LeineHertz 106einhalb“ den Sendebetrieb auf. „106einhalb“ steht für die UKW-Frequenz 106,5 Mhz, die bis Ende März 2009 von Radio Flora genutzt wurde. Im November 2008 hatte die durch konservative Verbände dominierte Versammlung der Niedersächsischen Landesmedienanstalt entschieden, Radio Flora die Sendelizenz nicht zu verlängern. Vorausgegangen war eine beispiellose politische Kampagne gegen das mit mehr als 600 Vereinsmitgliedern und über 200 ehrenamtlich tätigen RadiomacherInnen größte Bürgerradio Niedersachsens. Auf Grund einer wegen ihrer Erhebungsmethoden von Anfang an umstrittenen Telefonumfrage wurde behauptet, Radio Flora werde zu wenig gehört. Das Radio sollte sich den gängigen Flachfunkfunkformaten anpassen: Dauerberieselung durch Pop-Musik und drastische Kürzung von Wortbeiträgen. Gleichzeitig sollten unliebsame Inhalte aus dem Radio verschwinden, kritische Redakteure ausgeschlossen werden. Die Redaktionen sollten durch eine der Werbewirtschaft nahe stehende Chefredaktion kontrolliert werden. Diese Politik war weder im Flora-Trägerverein noch bei den aktiven RadiomacherInnen durchzusetzen. Also wurde den unangepassten BürgerInnen kurzerhand die UKW-Lizenz versagt. Offizielle Begründung: Radio Flora fühle sich zu sehr dem Konzept der Freien Radios verpflichtet und berücksichtige unzureichend die Meinungen „aus dem wirtschaftlich – unternehmerischen Bereich“. Die Flora MitarbeiterInnen bezogen ein neues Studio und stellten ab April 2009 nahtlos auf den Internet-Radiobetrieb um. Und der politisch und formal angepasste Sender „Leine-Hertz“ hatte Probleme, weil er fest mit dem Flora-Personal gerechnet hatte … und war nicht in der Lage, den Sendebetrieb wie geplant am 1. April 2009 aufzunehmen. Nun hat es endlich geklappt. Im Beitrag wird über die Geschichte des Konfliktes rund um Radio Flora berichtet, einer Geschichte der Zensur im Radio … und über das neue stromlinienförmige „Bürgerradio“ an der Leine. Zum Nachhören uf der Internetseite Von Radio Flora unter: http://radioflora.de/contao/index.php/Beitrag/items/leinehertz-radio-an-der-leine.html
LeineHertz: Frage an Geschäftsführer Markus Mayer
Interview von Andreas Müller
Auf die Frage, warum Menschen, die beim hannoverschen Lokalsender LeineHertz mitmachen, nicht auch bei Radio Flora aktiv sein dürfen, hat LeineHertz-Geschäftsführer Markus Mayer versucht, eine Antwort zu geben. Zum Nachhören auf der Internetseite Von Radio Flora unter: http://radioflora.de/contao/index.php/Beitrag/items/leinehertz-frage-an-geschaeftsfuehrer-markus- mayer.html
19.9.2009: Der Deutschlandfunk über LeineHertz: “Auf den freigewordenen Frequenzplatz (von Radio Flora) setzte man LeineHertz 106einhalb. Statt kritischem Gesellschaftsfunk von unten eine Kopie kommerziellen Hörfunks inklusive durchformatiertem Programm.”