Panzerübungsplatz Neustadt-Luttmersen (Region Hannover)

Waffenexport nach Saudi-Arabien

Testet Panzerbataillon 33 aus Neustadt-Luttmersen neue Leopard-Panzer zur Aufstandsbekämpfung?

Hubert Brieden

Die Bundesregierung ist fest entschlossen, 200 Panzer des Typs Leopard 2A7+ nach Saudi-Arabien zu liefern. 44 Stück soll das diktatorische islamistische Regime, bekannt für schwerste Menschenrechtsverletzungen und die massive Diskriminierung von Frauen, bereits gekauft haben. Die in den Rüstungsschmieden Krauss-Maffai Wegmann und Rheinmetall weiterentwickelte Ausführung des Panzers wurde im September 2011 während einer Informationslehrübung des Panzerbataillons 911 in Munster und Bergen der Öffentlichkeit vorgestellt. Was ist das Besondere an diesem 67,5 Tonnen schweren Koloss, der es dank seiner 1500 PS auf eine Spitzengeschwindigkeit von 72 km/h bringt?1 Ausgestattet wurde diese Variante des Leopard-Panzers mit einer verkürzten 120 mm Glattrohrkanone und einem vorn montierten Räumschild. Ein erheblich kleinerer Wendekreis als bei anderen Modellen prädestiniert ihn für den Einsatz in Städten.2 In einem aus dem Umfeld des Panzerbataillons 911 auf der Internetplattform Youtube präsentierten Video heißt es, der neue Kampfpanzer sei das „bestgeschützte Gefechtsfahrzeug des deutschen Heeres“ und zur „Durchsetzung robuster Mandate“ geeignet; allein die Präsenz des Gerätes lähme und schrecke ab – diese Erfahrung hätten kanadische und dänische Militärs bereits gemacht – und er könne gezielt „gegen besonders aggressive Demonstranten“ eingesetzt werden.

Beim Leopard 2A7+ handelt es sich also um einen speziell für die Aufstandsbekämpfung entwickelten Panzertyp, um – so die Werbung der Produktionsfirma – den „Kampfpanzer des 21. Jahrhunderts“.3 Krauss-Maffai Wegmann scheint sich waffentechnisch auf ein Jahrhundert der Aufstände einzustellen. Saudi-Arabien beteiligte sich an der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung in Bahrain und bekämpft die Oppositionskräfte im Jemen. Es sieht ganz so aus, als sollte die islamistische Feudaldiktatur zur regionalen militärischen Ordnungsmacht gegen politische und soziale Veränderungen auf der arabischen Halbinsel in Stellung gebracht werden. Hans-Joachim Otto (FDP), Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, betonte im Bundestag, Saudi Arabien habe auch in der Vergangenheit bereits Rüstungsgüter aus Deutschland erhalten, dafür gäbe es „massive sicherheitspolitische Interessen“, das Land sei ein „wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus“.4 Mit der gleichen Begründung wurde auch Überwachungstechnologie des EADS-Konzerns an die saudische Diktatur geliefert. Für die Vermittlung des technischen Know-hows sorgen seit 2009 achtzig in Saudi-Arabien eingesetzte Bundespolizisten.5 Ausgeblendet wird, dass Saudi-Arabien seit Jahrzehnten islamistische Terrorbewegungen in aller Welt fördert, darunter die Taliban und andere Gruppierungen in Afghanistan. Saudische Gotteskrieger kämpften und kämpfen in Afghanistan, Bosnien, im Kaukasus und organisierten das Attentat auf das World-Trade-Center am 11.9.2001. Bin Laden war saudischer Staatsbürger.

Dass neben widerständigen Bevölkerungsteilen auch Staaten wie Israel oder der Iran durch die Panzerlieferung bedroht sein könnten, scheint für die Bundesregierung und die deutsche Rüstungslobby kein Hinderungsgrund für den Deal zu sein.

Alles sieht danach aus, als sei das durch eine Indiskretion bekannt gewordene Panzergeschäft von langer Hand vorbereitet worden und als spiele das Panzerbataillon 33 aus Neustadt- Luttmersen (Region Hannover) dabei eine zentrale Rolle. Die Einheit ist Bestandteil der Panzerlehrbrigade 9, die wiederum der 1. Panzerdivision angehört, der derzeitigen Leitdivision in Afghanistan. Bereits während eines Appells in der Neustädter Kaserne am 24. Mai 2011, mit dem Soldaten des Panzerbataillons 33 ins Land am Hindukusch verabschiedet wurden, hatte Bataillonskommandeur Michael Sack – so erinnern sich Zeugen – von „Klimaerprobungen“ gesprochen, die seine Truppe mit dem neuen Panzer durchführen werde. Auf Nachfrage der Leine-Zeitung teilte ein Sprecher der Einheit mit, es handele sich um „ganz normale Tests in warmem Klima“ und mit Saudi-Arabien habe das alles nichts zu tun. Wann und wo die Tests stattfinden sollen, darüber wollte er jedoch keine Auskunft geben.6 Warum hüllen sich alle Beteiligten in Schweigen, wo das Waffengeschäft doch ohnehin bekannt wurde?

Christian Ströbele, Bundestagabgeordneter der Grünen, vermutet, dass Schmiergelder geflossen seien, und verweist auf die jüngste deutsche Geschichte: Er „habe es bis 1999 nicht für möglich gehalten, dass man aus solchen Panzerdeals Millionen an eine der hier staatstragenden Parteien, Manager oder Mitglieder (!) [der] Bundesregierung“ zahle, meinte er gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung. Er habe „im Parteispenden-Untersuchungsausschuss mitbekommen, dass solche Sachen Realität“ seien. Seitdem wisse er „dass es gerade bei schwierigen Waffengeschäften gar nichts Besonderes“ sei „dass Zahlungen über den Kaufpreis hinaus geleistet“ würden:“7

Am 8. Juli 2011 reichte Ströbele eine förmliche Anfrage an die Bundesregierung ein. Darin heißt es: „Inwieweit trifft im einzelnen [!] zu, dass die Bundeswehr schon im 3. Quartal dieses Jahres – also in den jetzigen Monaten – Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien schicken (bzw. durch den Hersteller schicken lassen) wird und dort – wie schon zu Anfang 2011 in Katar – auf deren Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie Kampffähigkeit testen lassen will, wie am 24.5.2011 BMZ-Abteilungsleiter Eggelmeyer oder ein anderer Redner vor dem Panzerbataillon 33 in der Wilhelmstein-Kaserne anlässlich der öffentlichen Soldaten-Verabschiedung nach Afghanistan angekündigt haben soll, und sofern dies grundsätzlich zutrifft, wie steht dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem offenbar genehmigten Verkauf von 200 Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien?“8

Der in der Anfrage genannte Abteilungsleiter im Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Friedel H. Eggelmeyer, war vor seiner Berufung durch Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) zu Beginn des Jahres 2010 sicherheitspolitischer Berater der FDP-Bundestagsfraktion und … Kommandeur des Panzerbataillons 33 in Luttmersen. Minister und Abteilungsleiter kannten sich aus Bundeswehrzeiten. Die Öffentlichkeit wunderte sich damals über diese Ernennung, da Eggelmeyer als entwicklungspolitische Fachkraft bis dahin nicht in Erscheinung getreten war.9 Befürchtet wurde eine weitere Militarisierung der Außen- und Entwicklungspolitik. Als Standortältester und Kommandeur in Luttmersen beteiligte sich Eggelmeyer im November 1989 an der Gründung des „Freundeskreises Panzerbataillon 33“, in dessen Vorstand damals auch ein ehemaliger Kämpfer des Afrika-Korps der NS-Wehrmacht mitwirkte.10 Der Traditionsverein übernahm das Wappen des Panzerbataillons 33 – eine Palme, die auffallend dem früheren Wappen des Afrika-Corps ähnelt.11

Eggelmeyer ist als Abteilunsgleiter im Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit u. a. zuständig für Südost- und Osteuropa, den Südkaukasus, Afghanistan und Pakistan und – wie es der Zufall will – auch für den Nahen Osten. Waffengeschäfte mit arabischen Regimes dürften kaum ohne seine Kenntnis abzuwickeln sein. Zudem verfügt seine Partei, die FDP – wie man noch aus den Zeiten des glücklosen Fallschirmspringers Jürgen Möllemann weiß – traditionell über erstklassige Beziehungen zu arabischen Diktaturen. Ob der frühere Kommandeur des Panzerbataillons 33 auch über Kontakte zu Krauss-Maffai Wegmann oder Rheinmetall verfügt, den Produzenten des für Saudi-Arabien vorgesehenen neuen Leopard-Panzers für Aufstandsbekämpfung, ist bislang unbekannt. Ungewöhnlich ist es jedenfalls nicht, dass ehemalige Bundeswehroffiziere sich nach Beendigung ihrer militärischen Laufbahn als Rüstungslobbyisten betätigen. Jahrelang gewachsene Kontakte werden einfach weiter gepflegt. Die Frage, ob Eggelmeyer beim Zustandekommen des Panzerdeals mit Saudi-Arabien eine Schlüsselrolle spielte, bleibt zur Zeit unbeantwortet.12 Nicht zuletzt deshalb, weil alle Beteiligten eisern schweigen. Also heißt es weiter recherchieren.

Manuskript eines Radiobeitrages, Erstsendung: Radio Flora, Hannover, 18.7.2011

Übernommen von Radio Dreyeckland, Freiburg, Radio Z, Nürnberg, ColoRadio, Dresden


1 Handelsblatt 5.7.2011, Internetausgabe unter: http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/umstrittener-waffen-deal-panzer-video-preist-vorgehen-gegen-aggressive-demonstranten/4358162.html
2 Leine-Zeitung 15.7.2011
3 Handelsblatt 5.7.2011, Internetausgabe, a.a.O.
4 Handelsblatt 7.7.2011, Internetausgabe unter: http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/panzer-deal-mit-saudi-arabien-gruenen-politiker-stroebele-vermutet-schmiergeldzahlungen-/4367034.html
5 Junge Welt 16.7.2011
6 Leine-Zeitung 15.7.2011
7 Mitteldeutsche Zeitung, 6. u. 7.7.2011, Internetausgabe unter: http://www.mz-web.de/politik/panzer-deal-stroebele-vermutet-schmiergelder-7767680
8 http://www.stroebele-online.de/bundestag/anfragen/4941721.html
9 vgl. etwa: Frankfurter Rundschau Onlineausgabe v. 18.2.2010 oder One Deutschland, Zeitungsschau 25.2.2010, Onlineausgabe
10 Die Palme Nr. 19, unter https://web.archive.org/web/20081211044555/http://www.freundeskreis-pzbtl33.de/Palme19.htm
11 Brieden, Hubert / Rademacher, Tim: Luftwaffe, Judenvernichtung, totaler Krieg, Neustadt 2010, S. 252 f.
12 vgl. „Wer fädelte das Panzergeschäft mit den Saudis ein?, http://der-unbequeme-blog.blogspot.de/2011/07/unbekanntes-zum-panzergeschaft-mit-den.html v. 8.7.2011

Panzerschrott auf dem Übungsgelände in Neustadt-Luttmersen
Panzerschrott auf dem Übungsgelände in Neustadt-Luttmersen
Abseits der Öffentlichkeit: Panzerübungsplatz Neustadt-Luttmersen
Abseits der Öffentlichkeit: Panzerübungsplatz Neustadt-Luttmersen