Kriegsgefangene und Zivilarbeiter
In Godshorn wurde eine unbekannte Anzahl französischer Kriegsgefangener sowie mindestens sechs belgische (eine Frau und fünf Männer), sechs niederländische (vermutlich eine Frau und fünf Männer), 71 polnische (14 Frauen und 57 Männer) und 18 sowjetische (vermutlich sieben Frauen und elf Männer) Zivilarbeiter in der Landwirtschaft und vermutlich auch im Handwerk beschäftigt. Es ist nicht bekannt, wo die Gefangenen untergebracht waren. Einige Zivilarbeiter waren bei ihren Arbeitgebern untergebracht. So zum Beispiel in der Dorfstraße bei Biester, Döpke, Linneweh (Hausnr. 11) und Luttermann, sowie in der Hauptstraße bei Hanebuth. Darüberhinaus gab es in Godshorn vermutlich mindestens neun Zwangsarbeiterlager.1
Ausländerlager Am Moore
Am 13.2.1936 beschloß der Gemeinderat die Einführung von Straßennamen in Godshorn. So wurde unter anderem der Weg zwischen den Grundstücken Godshorn Nr. 36 und Nr. 90 in Am Moore benannt.
1937 errichtete die Wehrmacht beiderseits der Straße Am Moore, unter Einbeziehung der beschlagnahmten Hofstellen der Landwirte Hahne und Kelle (Godshorn Nr. 18), ein aus Holzbaracken bestehendes Lager für die Unterbringung der Luftnachrichten-Abteilung 3 sowie einer Abteilung des Reicharbeitsdienstes, die auf dem Fliegerhorst Langenhagen Instandsetzungsarbeiten durchführte.
Das Lager, das keinerlei Luftschutzräume hatte, wurde Anfang November 1942 geräumt und die hier stationierten Wehrmachtsangehörigen an die Ostfront verlegt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt, wurden etwa sechs der auf dem Grundstück Am Moore 1 Ecke Kapellenstraße liegenden Baracken, von den in Godshorn und Langenhagen ansäßigen Firmen Focke-Wulf Flugzeugbau GmbH, Brinker Eisenwerke Max Müller, Baugeschäft Erich Fischer (Ziegeleistraße 1, Langenhagen), Leyfert und Gartenbaubetrieb Franz Herrmann (Godshorn Nr. 75) als Zwangsarbeiterlager genutzt. Es soll mit bis zu 300 Personen belegt gewesen sein, bei denen es sich zunächst um bis zu 50 Belgier, Franzosen, 63 Niederländer, 31 Polen, 99 Russen sowie Ukrainer gehandelt hat.
1943 stellten die Focke-Wulf-Werke einen aus niederländischen Zwangsarbeitern bestehenden Löschzug auf. Ironie der Geschichte: Wegen ihres vorbildlichen Einsatzes nach einem alliierten Luftangriff, am 27.11.1943, bei dem u. a. auch Baracken des Ausländerlagers brannten, soll der Ortsbürgermeister die Niederländer für die Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes vorgeschlagen haben.
Vermutlich ab Herbst desselben Jahres, wurde das Lager mit dem aus italienischen Militärinternierten bestehenden Arbeitskommando 6140 belegt. Sie mußten ebenfalls für Focke-Wulf arbeiten. Zwei der Italiener kamen bei Luftangriffen ums Leben.
Im Februar 1944 brannte nach einem Bombenangriff eine weitere Baracke ab.
Am 2. Juni 1944 wurden 200 RAD-Männer in Gebäuden des Hahne-Hofes untergebracht. Sie sollten einen Ersatzflugplatz für den zerstörten Fliegerhorst bauen.
Die im Protokoll der Ortsratssitzung vom 22.7.1944 vermerkten Beschwerden von Landwirten über zunehmende Felddiebstähle, insbesondere von Kartoffeln, durch Ausländer, läßt sich nur mit der miserablen Lebensmittelversorgung der Zwangsarbeiter erklären.
Ab dem 22.10.1944 werden 20 der Zwangsarbeiter auch zu Stellungsarbeiten an der Reichsautobahn 2, der heutigen A2, eingesetzt.
Am 21.11.1944 werden die RAD-Männer wieder abgezogen. Dafür ziehen 100 Bordfunker in das Lager, die aber vermutlich schon am 30.11.1944 durch 74 weibliche RAD-Kräfte, sogenannte Arbeitsmaiden ersetzt werden. Diese sollen bei der örtlichen Luftabwehrstellung zur Scheinwerferbedienung ausgebildet werden.
Am 16.12.1944 wird fünf Feuerwehrleuten das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse verliehen. Unklar ist allerdings, ob sich unter ihnen auch Niederländer befinden.
Bei einem Luftangriff am 5.1.1945 wird das Lager dann komplett zerstört.2
Arbeiterlager Birkenallee
Für die Birkenallee wird eine Baracke bzw. ein Lager oder Lagerplatz erwähnt. Hier waren mindestens vier Zivilarbeiter gemeldet. Es handelte sich um die Belgierin Louise Frankaerts (* 8.5.1910 in Berlay), sowie die drei Polen Stanislaus Brodzynski (* 7.7.1916 in Demmin), Marian Pawlowski (* 8.5.1910 in Bialogon) und Stanislaus Trosciauczuk (* 8.2.1916 in Derewiczua). Bei der Belgierin und dem Polen Pawlowski vermerkt die Meldeadresse noch den Namen Weiss, bei dem es sich vermutlich um den Arbeitgeber handelt.3
Arbeiterlager Dorfstraße
Alleine in der Dorfstraße sollen sich vier Zwangsarbeiterunterkünfte befunden haben. So lassen sich zur Zeit bei Wehde im Lager Dorfstraße 14 ein Sowjetbürger, im Lager Dorfstraße 21 ein Pole, im Lager Dorfstraße 25 zwei Polen und zwei Sowjetbürger, sowie bei der Drescherei Münkel, im Lager Dorfstraße 63, eine Sowjetbürgerin nachweisen.4
Arbeiterlager Kapellenstraße
In der Kapellenstraße 9 befand sich eine weitere Zwangsarbeiterunterkunft, in der sich zur Zeit nur ein Sowjetbürger nachweisen läßt.5
Arbeiterlager Müller
Mindestens 41 Sowjetbürger – 22 Frauen, 14 Männer, sowie zwei Jungen und drei Mädchen unter 16 Jahren – waren in einem Lager Müller gemeldet. Es handelte sich durchweg um Sowjetbürger die anscheinend zum größten Teil im Familienverband zur Zwangsarbeit deportiert wurden. Geht man davon aus, das diese Ostarbeiter frühestens in der zweiten Hälfte des Jahres 1941 in das Deutsche Reich verschleppt wurden, so war die älteste Person, Anna Kudjelka (* Februar 1876), 65 Jahre und die jüngste Person, Arsenij Alichwrowitsch (* 1939), zwei Jahre alt. Unklar ist, wo genau sich das Lager befunden hat und ob sich hinter dem Namen die Brinker Eisenwerke Max Müller oder ein anderer Arbeitgeber verbirgt.6
Arbeiterlager und Ausländerwöchnerinnenheim Schulenburger Mühle
Ab dem 1. Juli 1942 wurde auf dem Gelände der ehemaligen Ziegelei Höppner, mit der Errichtung des aus 36 Holz- und Steinbaracken bestehenden Arbeiterlagers Schulenburger Mühle begonnen. Das Lager war zunächst für 1550, dann für 3000 ausländische Zivilarbeiter geplant, unter denen sich mindestens 125 belgische, 102 niederländische, 129 polnische und 692 sowjetische Frauen und Männer befanden. Sie mußten für folgende Firmen und Unternehmer arbeiten:
Accumulatoren Fabrik AG, Adler, Adriani/Adrioni, Benecke, Bengen & Co., Bode, Böttcher, Bolte, Brinker Eisenwerk Max Müller, Brinkmann, Bruns, Bumke, Bunke, Comelit/Gomelit, Daimler-Benz, Dancker, Fehling, Focke-Wulf, Grote, Günther Wagner, Hackethal, Hartmann, Hartung, Häuster, Heeresverwaltung, Heinrich Graf…, Heinrich Tölke, Hellux, Hildebrandt, Höppner, Holland, Kleemann, Klingenberg, Knauer, Köther, Krupp-Werke, Kühlhaus, Lagergemeinschaft e. V., Lagerverwaltung, Leyfert, Neine, Pape, Pfeiffer, Pohl, Postamt I, Postamt II, Reichspost, Röchlingstahl GmbH, Rogier & Giesecke, Rüdiger, Schröter, Schuh & Co., Schwemann-Stüc, Soost, Sorst, Städtische Bühnen, Städtisches BW, Tegtmeyer, Tölke, W. Förster, Wallbrecht, Weber, Wesemann, Wille, Wohlenberg und Wohlmann.
Bei einer Begehung des Lagergeländes am 9.12.1942, stellten der Godshorner Bürgermeister Christian Langrehr und der Ortspolizist Braubach erhebliche Mängel fest. So waren weder eine Tarnung noch Luftschutzräume vorhanden; außerdem gab es nur unzureichende Sanitäranlagen. Auf Anordnung der Polizeibehörde hatte eine Beseitigung der Mängel bis zum 2.2.1943 zu erfolgen. Ob und in welchem Umfang es dazu gekommen ist, ist nicht bekannt. Ab dem 1.1.1944 wurde das Lager von der Lagergemeinschaft e. V., einem Zusammenschluß hannoverscher Firmen, betrieben.
Bestandteil dieses Lagers war vermutlich ab dem 23. August 1943, das aus vier Baracken bestehende Ausländerwöchnerinnenheim. Insgesamt sollen hier bis zu 500 schwangere Polinnen, Russinnen und Ukrainerinnen untergebracht gewesen sein. Etwa 75 % der hier geborenen Kinder kamen ums Leben.
Der gesamte Lagerkomplex diente nach dem Krieg zunächst der Unterbringung von Displaced Persons dann von Flüchtlingen. 1962 wurde es abgerissen und das Grundstück später neu bebaut. 7
Auf Initiative des Vereins Gegen das Vergessen/NS-Zwangsarbeit, wurde am 9.9.2009 in Godshorn auf dem Le-Trait-Platz eine Gedenktafel und am ehemaligen Ort des Ausländerwöchnerinnenheims, eine Gedenkstele enthüllt.
© Helge Kister, Arbeitskreis Regionalgeschichte e. V.
1 ↑Digital Archive des ITS, Bad Arolsen, Landkreis Hannover, Ordner 526, 527, 529
Wiedemann, Ernst-August: Chronik Godshorn vom Dorf zum Stadtteil; Godshorn 2000, S. 139
2 ↑Niedersächsisches Landesarchiv Hannover, Sammlung von Reproduktionen 3, Foto 3 Nr. 571
Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten (Dokumentationsstelle Celle), Liste italienische Arbeitskommandos
Ebd. Ordner 526, 527, 529
Reichstelefonbuch 1942
Ebd. Chronik, S. 130 – 132, 141, 146, 148 – 153
3 ↑Ebd. Ordner 526, 527
4 ↑Ebd.
Reichstelefonbuch 1942
5 ↑Digital Archive des ITS, Bad Arolsen, Landkreis Hannover, Ordner 529
6 ↑Ebd.
7 ↑Niedersächsisches Landesarchiv Hannover, Sammlung von Reproduktionen 3, Foto 3 Nr. 570, Nr. 837
Digital Archive des ITS, Bad Arolsen, Landkreis Hannover, Ordner 526, 527, 529
Aus: Studienkreis zur Erforschung und Vermittlung der Geschichte des Widerstandes 1933 – 1945 und das
Präsidium der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (Hrsg.); Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 – 1945, Niedersachsen II Regierungsbezirke Hannover und Weser-Ems, Pahl-Rugenstein Verlag 1986
Wiedemann, Ernst-August: Chronik Godshorn vom Dorf zum Stadtteil; Godshorn 2000, S. 141f
Anschütz, Janet/Heike, Irmtraud; „Unerwünschte Elemente“ – Die toten Kinder Hannoverscher Zwangsarbeiterinnen – Opfer der nationalsozialistischen Rassenpolitik; Aus: Anschütz, Janet/Fischer, Stephanus/Heike, Irmtraud/Wächter, Cordula; Gräber ohne Namen. Die toten Kinder Hannoverscher Zwangsarbeiterinnen; VSA-Verlag, Hamburg 2006